Habgier: Roman (German Edition)
reden wollen... wenn Sie es sich von der Seele reden wollen... bin ich bereit.«
Ihre Blicke trafen sich, und sie studierte ausgiebig Deckers Gesichtsausdruck. »Ich nehme an, Sie glauben, Ray hat etwas mit der vermissten Stewardess zu tun.«
»Was ich glaube, ist, dass Ray einen Haufen Schwierigkeiten hat. Er kommt vor ein Geschworenengericht wegen Mordverdachts an seiner früheren Schwägerin, Isabela Devargas.«
Sie zuckte nur mit den Achseln, aber ihr Körper hatte sich versteift. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.
»Sie wissen, dass Ray als Belize Hernandez auf die Welt kam. Dass sein Bruder und seine Schwägerin vor über dreißig Jahren verschwunden sind. Und dass Ray etwas damit zu tun hat. Sie wissen das.«
Noch ein Achselzucken. Decker beobachtete die Frau. Sie war glücklich, Ray wegen Betrugs dranzukriegen, aber vor Mord scheute sie zurück.
»Es wird alles ans Licht kommen«, sagte Decker. »Jetzt ist der Zeitpunkt, mir Ihre Version der Geschichte zu erzählen.«
»Es gibt nichts zu erzählen«, entgegnete Lindie.
»Ich bin nicht dran interessiert, Ihnen mehr Leid zuzufügen, Mrs. Holmes. Mich interessiert nur die Wahrheit.«
Wieder bekam Decker Schweigen als Antwort.
»Möchten Sie noch so einen Spezialkaffee?«
»Ja, sehr gerne. Danke.«
Der Auftrag wurde durchgegeben und ein weiterer Kaffee gebracht. Decker ließ vor der Kamera den Zusatz »koffeinfrei« weg, und Lindie korrigierte ihn nicht. Gut so, denn Decker wollte sie wach und nervös. Nach ein paar Schlucken redete sie wieder.
»Ich kann nicht fassen, dass er das Geld genommen hat.«
»Ich schon«, erwiderte Decker. »Ihr Mann hat eine Vergangenheit.«
»Haben wir die nicht alle?«
Ihre Worte ließen Decker aufhorchen. Er wollte geschickt und unauffällig vorgehen, ertappte sich aber dabei, wie er ihr Gesicht intensiv betrachtete. Sie war in Holmes’ Alter, und Decker stellte sie sich mühelos als Hippie in den Siebzigern vor.
»Sie waren auch ein Kirchenmitglied, stimmt’s?« Bevor sie antworten konnte, fuhr Decker fort: »Und erzählen Sie mir jetzt nicht, Sie wüssten nicht, wovon ich rede. Wir haben bereits zwei ehemalige Mitglieder gefunden – Alyssa Bright Mapplethorpe und Christian Woodhouse. Sie werden sicher keinerlei Probleme haben, Sie als eine der ihren zu identifizieren. Ich würde gerne Ihre Version der Vorfälle hören.«
Sie nippte wieder an ihrem Kaffee. »Ich habe keine Version. Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Soll ich Ihnen das abnehmen?«, fragte Decker. »Sie erwarten ehrlich, ich würde Ihnen als Mitglied der Kirche des Sonnenlandes glauben, dass Sie nichts über das Verschwinden von Beth und Manny wissen? Nichts von dem verschwundenen Geld? Und Sie wollen nichts darüber wissen, dass Ihr Ehemann am Tatort war, als Beth Devargas ermordet wurde, Mrs. Holmes? Das glaube ich Ihnen nicht. Und wenn ich Ihnen nicht glaube, wird das meiner Meinung nach auch kein Geschworener tun. Also erzählen Sie mir jetzt Ihre Version der Vorfälle, oder Sie stehen ganz allein da.«
Es fiel kein weiteres Wort, aber die Tränen, die über das Gesicht der Frau strömten, sprachen Bände. »Ich war erst zwanzig, Lieutenant.«
»Sie waren noch sehr jung, und es ist schon so lange her«, sagte er sanft. »Erzählen Sie mir, so gut Sie können, was in der Nacht damals geschah.«
Sie schluchzte jetzt. »Ich weiß nicht, was passiert ist, denn ich war nicht dabei.«
»Sie waren ein unschuldiges Opfer, verwickelt in eine Sache, mit der Sie nichts zu tun hatten.«
»Genau!« Noch mehr Tränen. »Oh Gott, das war schon immer mein Problem. Meine dämliche Naivität. Meine Tochter ist auch so.«
Decker tätschelte ihre Hand. Sie ergriff sie und drückte sie fest. »Ich war so verliebt in ihn. Und deshalb bin ich Idiotin wohl auf ihn reingefallen.«
»Er ist ein aalglatter Typ.« Decker zog seine Hand zurück und setzte dann zum Todesstoß an. »Lindie, warum fangen Sie nicht am Anfang an und erzählen mir die ganze Geschichte? Reden Sie es sich ein für alle Mal von der Seele.«
Und dann begann sie zu erzählen.
43
»Mein Gott!« Lindie Holmes lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte an die Zimmerdecke. Sie ließ ihren Tränen, aus braunen Augen, ganz trübe vor Trauer, freien Lauf. »Ich fühle mich genau wie damals, als das alles auf mich einstürzte.«
»Ich bin da, um Ihnen zuzuhören, also, warum beginnen Sie nicht einfach am Anfang?« Decker hatte mehrere Notizblöcke vor sich liegen. Mit
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