Habgier: Roman (German Edition)
Bindeglied zwischen den Hinterbliebenen, dem NTSB und der Gerichtsmedizin. Ich bereite gerade ein Treffen im Rathaus vor, um die nächsten Schritte mit der Stadtverwaltung abzusprechen. Als Erstes richten wir einen Service ein, so dass die Betroffenen möglichst schnell Informationen erhalten.«
Deckers Gehirn kam langsam in Schwung. Strapp hatte den Nagel auf den Kopf getroffen: Die Untersuchung der verkohlten Leichen war Sache der Gerichtsmedizin, die der Wrackteile des Flugzeugs unterlag dem National Transportation and Safety Board, wohingegen alles, was mit den Anwohnern zu tun hatte, wiederum Aufgabe der Polizei war. Der Umgang mit den betroffenen Familien bedeutete eine zermürbende Angelegenheit, und er würde sich persönlich darum kümmern.
Noch ein langer Tag mehr.
Strapp redete weiter. »... es gibt übrigens Berichte über Plünderungen und Graffiti im abgesperrten Gebiet. Kümmert euch bitte auch darum.«
Decker richtete sich auf. »Wer hat denn da etwas berichtet? Die Bewohner dürfen doch noch gar nicht in ihre Häuser zurück?«
»Genau das sollt ihr herausfinden.«
Decker atmete laut aus. »Geht in Ordnung. Ich versuche, in einer halben Stunde vor Ort zu sein.«
»Wir sehen uns.«
Die Verbindung war unterbrochen. Decker gab seiner Frau das Telefon zurück. »Ich muss duschen und dann sofort wieder los.«
Rina versuchte erst gar nicht zu protestieren. »Ich mach dir Frühstück.«
»Was zu essen... das klingt richtig gut.« Decker schwang seine Beine aus dem Bett und baute seine eins fünfundneunzig zu voller Größe auf. Mit den Jahren hatte er ein bisschen zugenommen und die hundert Kilo knapp überschritten, aber für einen Mann in den Fünfzigern sah er immer noch gut aus. »Ist Hannah in der Schule?«
»Die Schule liegt mitten im Sperrgebiet. Die Schulbehörde hat den Unterricht so lange abgesagt, bis sichergestellt ist, dass die Kinder wieder atmen können, ohne ihre Lunge mit Asche zu verkleben. Übrigens verbringen wir den Sabbat bei meinen Eltern. In Beverly Hills ist die Luft zwar auch nicht makellos rein, aber um einiges besser als hier.«
»Das gilt nicht nur für die Luftqualität. Ich wünschte, ich könnte mitkommen.«
»Tatsächlich?«
Decker grinste. »Nach dieser Horrornacht wäre ein Abend mit den Schwiegereltern und ihren profanen Problemchen eine Erholung. Und außerdem kocht deine Mutter fantastisch.«
»Das stimmt.«
»Was ist mit Cindy und Koby? Wollten die beiden nicht am Samstag vorbeikommen?«
»Nein, am Freitag, aber Mutter hat sie gnädigerweise mit eingeladen. Hannah ist übrigens begeistert, nicht unbedingt vor lauter Vorfreude auf ihre Großeltern, sondern weil sie zur Abwechslung mal ihre Freunde aus der Stadt sehen kann.«
»Das liegt am Alter.«
»Wohl wahr. Hannah lebt nur für ihre Clique. Entweder chattet sie mit ihnen oder hängt am Telefon, am liebsten eigentlich beides gleichzeitig.«
»Ich hoffe, ich schaffe es am Wochenende wenigstens zum Abendessen nach Hause.« Decker küsste Rina zärtlich auf die Stirn. »Dieser Staatsdiener hier wird wohl eine Weile Überstunden machen müssen. Wenigstens haben wir dann mehr Geld in der Kasse.«
»Ich hätte lieber öfters dich zu Hause.« Rina strich ihm übers Gesicht, und Decker dachte wieder einmal, wie schön sie aussah. Der Gedanke löste sofort ein Kribbeln zwischen seinen Beinen aus, aber es half nichts: Er hatte jetzt keine Zeit. Nach der Dusche zog er sich sofort an, aß ein Käseomelett und Pancakes, trank vier Tassen Kaffee und zwei Gläser Saft. Er hatte immer noch Hunger, aber die Zeit lief ihm davon. Als er verkündete, er müsse jetzt wirklich los, versuchte Rina nicht, ihn zurückzuhalten.
»Bist du jetzt wach genug, um zu fahren?«
»Wach, satt und gut versorgt.«
»Ich habe dir ein Lunchpaket gemacht, vier Sandwiches und andere Kleinigkeiten. Was dir zu viel ist, kannst du ja mit deinen Brüdern in Blau teilen.«
»Sie werden für jeden Brocken, den ich ihnen überlasse, mehr als dankbar sein.« Er küsste seine Frau keusch auf die Lippen und fand, dass das bei weitem nicht genug war. Der nächste Kuss wurde lang und innig. »Vielleicht sollte ich wirklich bald in Rente gehen.«
»Damit drohst du mir schon eine ganze Weile, dabei würde ich mich nur freuen. Erstens liebe ich dich, und zweitens habe ich eine lange Liste mit Dingen, die wir in den letzten vier Jahren geplant, aber nie realisiert haben. Ich bin so weit, wenn du so weit bist.«
Er wusste genau, worauf sie
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