Habgier: Roman (German Edition)
Behörden in San Jose ja bei der Suche nach einem erfahrenen Psychologen für den Test behilflich sein. Jetzt auf dem Revier anzurufen, brachte eh nichts.
Er erwog kurz, Marge anzurufen, damit sie sich eventuell entscheiden konnte, auch noch zu bleiben. Er wollte sie nicht stören, aber doch zumindest auf dem Laufenden halten.
Er erwischte sie gerade, als sie mit Will das Restaurant verließ, und fasste sich so kurz wie möglich.
»Er hat von sich aus angeboten, einen Lügendetektortest zu machen?«, fragte sie.
»Wenn ich den Test bis morgen Mittag organisiert kriege, wird er zur Verfügung stehen, behauptet er. Du brauchst nicht dabei zu sein, aber das bestimmst du selbst.«
»Na klar bleibe ich. Ich bin genauso neugierig wie du!«
»Klasse, dann melde ich mich morgen so gegen acht bei dir.«
»Das klingt doch besser, als in aller Herrgottsfrühe aufzustehen. Wobei mir gleich einfällt, dass wir uns um die Tickets kümmern sollten. Willst du oder soll ich?«
»Stimmt, wir müssen die Reservierung umlegen. Aber lass mich mal machen, Margie. Ich hab nichts anderes vor, und mittlerweile kenne ich die Servicenummer von West Air auswendig.«
23
Um Punkt acht Uhr am nächsten Morgen begann Decker mit den nötigen Telefonaten. Bis er es geschafft hatte, einen ausgebildeten Psychologen für die Bedienung des Lügendetektors, Polygraphist genannt, aufzutreiben, zu verpflichten und einen Termin auszuhandeln, um dann noch die Finanzierung des Ganzen zu sichern, war sein Ohr knallrot und seine Kehle heiser von zwei Stunden Telefonieren ohne Pause.
Das Beste, was er in so kurzer Zeit organisieren konnte, war ein Test um drei Uhr nachmittags im Büro des Bezirksstaatsanwalts, wobei die eine Hälfte der Kosten zu Lasten des West-Valley-Reviers ging und die andere Hälfte von Roseannes Eltern übernommen wurde. Die Lodestones hatten zuerst keine Ahnung gehabt, dass ihre Rosie sich außerehelich ein bisschen amüsiert hatte, aber es war ihnen auch egal. Sie waren wie besessen davon – und das zu Recht – endlich Roseannes Leichnam zu finden. Wenn es Beweise für ein Verbrechen gab, dann wollten die Lodestones einzig Roseannes Mörder stellen. Ivan war zwar immer noch ihre erste Wahl als Übeltäter, aber Raymond Holmes wäre ein würdiger Nachfolger, sollte das Pendel in seine Richtung ausschlagen.
Der Termin lag viel später, als Holmes vorgeschlagen hatte. Erst weigerte er sich, dann meckerte und fluchte er, aber am Ende tauchte er pünktlich auf – ohne Anwalt. Die harmlos wirkende Polygraphistin, eine sechzigjährige grauhaarige Dame namens Sheila Aronowitz, brauchte zwanzig Minuten, um den Test vorzubereiten. Nachdem alle Elektroden, Manschetten und Strapse an den richtigen Stellen befestigt waren – was Holmes zu der Bemerkung hinriss, sollte er auf dem elektrischen Stuhl gelandet sein, hätte er Anspruch auf ein letztes Mahl -, wollte Sheila mit ihm sprechen, bevor sie die eigentlichen Fragen stellte. Sie musste sichergehen, dass Holmes den Ablauf eines Lügendetektortests verstanden hatte und wusste, wofür die ganze Ausrüstung gut war. Außerdem sollte Holmes etwas zu essen bekommen, da ein konstanter Blutzuckerspiegel wichtig war für ein optimales Ergebnis.
Die nette Unterhaltung und der kleine Snack zwischendurch dauerten etwas über eine Stunde.
Als Sheila der Meinung war, sie beide könnten jetzt loslegen, stellte sie zehn Fragen.
1. ) Heißen Sie Raymond Holmes?
2. ) Sind Sie verheiratet und Vater von drei Kindern?
3. ) Wohnen Sie in San Jose?
4. ) Arbeiten Sie in San Jose?
5. ) Sind Sie achtundfünfzig Jahre alt?
6. ) Kannten Sie Roseanne Dresden?
7. ) Haben Sie Roseanne im Verlauf des letzten Jahres gesehen?
8. ) Haben Sie Roseanne Dresden im Verlauf der letzten vier Monate gesehen?
9. ) Haben Sie irgendetwas mit Roseanne Dresdens Verschwinden zu tun?
10. ) Haben Sie Roseanne Dresden umgebracht?
Decker, Marge und ein junger Strafverfolger namens Grant Begosian, der gerade seine Ausbildung beendet hatte, sahen hinter einem Einwegspiegel dabei zu, wie Holmes wahre Wasserfluten an Schweiß absonderte, während er sich an den zehn einfachen Fragen abarbeitete. Decker wusste, dass eine der gemessenen Einheiten die psychogalvanische Hautreaktion betraf, genauer gesagt die Feuchtigkeit, die an den Fingerkuppen abgesondert wurde. Holmes’ Messresultat selbst bei einer so simplen Frage wie »Heißen Sie Raymond Holmes?« musste weit über der Norm liegen.
Deckers letzte Beobachtung eines
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