Habgier: Roman (German Edition)
Bestätigungsnummer. Bleiben Sie eine Minute dran, bis ich was zum Schreiben habe?« Marge reichte ihm augenblicklich einen Stift und ihren Notizblock. »Okay, ich bin so weit.« Nachdem er alles notiert hatte, legte er auf und rief Rina an. Bis er seiner Frau alles erklärt hatte, hatte Marge schon die Polizei und den Autoverleih benachrichtigt.
Zehn Minuten später hielt Will Barnes hinter dem platten Mietwagen an. Er stieg aus, die Daumen in einen schweren Ledergürtel eingehakt, der eine verwaschene Jeans auf den Hüften hielt. Ein weißes Hemd mit einer Bolo-Kordel rundete das Bild ab. Barnes war groß und durchtrainiert und sah für einen Endfünfziger sehr gut aus. Er schüttelte Decker die Hand und gab Marge einen leichten Kuss auf die Wange. Barnes’ rundes Gesicht war einer gründlichen Rasur unterzogen worden. Seine ohnehin dunklen Augen verdüsterten sich noch mehr, als er den Schaden sah. »Mann, das ist wirklich zum Kotzen.«
»Wissen Sie, ob die hier ein Problem mit Vandalismus haben?«, fragte Decker ihn.
»Tja, das weiß die hiesige Polizei besser als ich, Pete. Aber eins steht fest: Wir sind hier in Silicon Valley, und es gibt hier jede Menge Kids mit zu viel Geld und zu wenig Kontrolle.«
»Sieht für mich auch nach einem Teenagerscherz aus. Irgend so ein Scheißkerl, der mit einem Freund im Cabrio durch die Gegend fährt und mal eben ein paar Reifen aufschlitzt.«
In diesem Moment erschien hinter Barnes’ Auto ein Polizeiwagen. Fünf Minuten später nahm noch ein Abschleppwagen der Mietwagenfirma an den Feierlichkeiten teil. Nachdem sich alle vorgestellt hatten, einigten sich die Polizisten auf mutwillige Zerstörung von fremdem Eigentum und schrieben ihre Protokolle. Die Anwohner begannen, aus ihren Fenstern zu glotzen und die Vordertüren einen Spalt breit zu öffnen. Plötzlich führten immer mehr Leute ihre Hunde aus, stellten Fragen und begutachteten mitleidig das ramponierte Mietauto. Einige von ihnen hatten selbst Vorfälle gemeldet – eingeworfene Fensterscheiben und gelegentliche Graffiti. Aber die meisten betonten, dass die Nachbarschaft sicher sei.
Die Polizei brauchte eine knappe Stunde, um den Vorfall aufzunehmen. Als die öffentliche Ordnung wiederhergestellt war, war es kurz vor zehn und Marge am Verhungern. Sie sah Will an. »Ich bin immer noch fürs Essengehen, aber ich weiß nicht, in welchem Restaurant wir jetzt noch etwas bekommen.«
»Der Laden, wo ich eigentlich mit dir hinwollte, schließt um elf«, sagte Will. »Aber ich habe eine Reservierung für drei im Sarni’s , einem guten, einfachen Italiener, der bis Mitternacht aufbleibt.«
Marge schlang einen Arm um Wills Taille. »Mein Held.« Sie grinste Decker an. »Ich wette, dir ist das auch recht.«
»Danke für die Einladung«, sagte Decker, »aber ich bin tot. Wenn es keinen großen Umweg bedeutet, setzt mich einfach bei meinem Motel ab.«
»Du musst was essen, Chef«, meinte Marge.
»Ich bin wirklich okay. Amüsiert euch, ihr beiden.«
Barnes machte keine Anstalten, ihn zum Bleiben zu überreden. »Wo übernachten Sie?«
»Im Airport Foundation Inn.«
»Liegt auf dem Weg.«
Die drei klemmten sich in Barnes’ Honda Accord. Zwanzig Minuten später betrat Decker einen Coffeeshop in der Nähe seines Motels und bestellte sich ein Eiersalat-Sandwich. Er kritzelte auf seinem Notizblock herum und sinnierte darüber, was wohl aus Roseanne Dresden geworden war.
Dann zeichnete er eine Tabelle, gab ihr die Überschrift »Der letzte Tag im Leben der Roseanne Dresden« und füllte sie mit den verfügbaren Informationen:
1. Irgendwann vor 10:33 streitet sie sich mit ihrem Ehemann und ruft Christie Peterson an, um bei ihrer Freundin für eine Nacht abzusteigen.
2. Dann ruft sie West Air in San Jose an und bittet um einen Termin. Laut Christie will sich Roseanne nach San Jose versetzen lassen, um näher bei ihren Eltern zu sein. Sie bekommt den Termin und erfährt, dass eine Stelle frei ist.
3. Sie geht gegen sechs Uhr abends mit Christie zum Essen.
4. Christie geht gegen neun aus und kommt spät nach Hause. Roseanne ist noch wach. Sie erwähnt gegenüber Christie, dass sie die Scheidung einreichen wird.
5. Gegen vier Uhr fünfzehn morgens am Tag des Absturzes begegnet Roseanne Leslie Bracco. Sie erzählt Leslie fast das Gleiche wie Christie. Leslie meint, Roseanne habe den Flug um fünf Uhr von San Jose nach Burbank genommen.
Ab jetzt gibt es eine Menge Möglichkeiten für Roseannes Verbleib:
1. Sie starb
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