Habiru
während er darauf bestand, immer über alles Bescheid zu wissen und ihr nicht viel Freiraum ließ. Und an ihren Freundinnen hatte er auch häufig etwas auszusetzen. Bis auf Jessica. Die war für ihn in Ordnung, weil ihre Eltern die richtigen Jobs hatten. Und mit ihren Eltern befreundet waren.
Wie oberflächlich das doch ist! Wenn er wüsste, das Jessica sogar schon aus purer Langeweile geklaut hat, würde das sicherlich anders aussehen. Sie mochte ihren Vater aber trotz aller Strenge. Sie wünschte sich nur, ihre Mutter würde sich nicht so sehr von ihm unterdrücken lassen. Mama sagte auch tatsächlich nichts zu ihrem Traum. Nach dem Anranzer ihres Vaters zog sie es mal wieder vor zu schweigen.
Bevor sie sich aber weiter über ihren Papa aufregte, oder sich weiter Gedanken
um ihren Traum machte, schenkte sie sich lieber ein Glas Orangensaft ein und
nahm ein frisches Körnerbrötchen, das sie mit einer Scheibe Käse belegte.
Er schien schon wieder in seine Zeitung vertieft, jedenfalls fing er an sich über
die Politik der USA im Irak auszulassen. »Sie werden es wirklich tun. Obwohl die UNO keiner Resolution für eine militärische Aktion zur Absetzung Saddam Husseins zustimmen wird, werden die USA dort einen Krieg anfangen. Dabei sind alle Kriegsgründe zweifelhafter Natur, und die Tatsache, dass Saddam ein grausamer Diktator ist, wirkt auch irgendwie lächerlich, macht man doch sonst
mit solchen Leuten gute Geschäfte und hat dabei keine Skrupel. Schließlich hat man ihn selbst aufgebaut. Scheint wirklich so zu sein, dass die Falken vom rechtsliberalen Think Tank PNAC die Macht übernommen haben und ihre Ziele gegen alle Proteste durchsetzen werden. Sie haben ja schon vor Jahren aus geopolitischen Erwägungen gefordert, den Irak zu besetzen, um die Ölreserven zu sichern.«
Er hatte starkes politisches Interesse, und holte sich viele Informationen aus dem Internet, so dass Sarah fast immer über vieles besser informiert war als ihre Mitschüler. In dieser Beziehung war er unschlagbar. Dafür mochte sie ihn gerne. Er war noch nicht fertig: »Die vielen Menschen, denen dieser Krieg das Leben kosten wird, und das unendliche Leid der Opfer sind mir jetzt schon ein Gräuel. Alles weggeworfene Leben.«
Sarah empfand das genauso. Sie hatte zwar weniger für Politik übrig, aber das, was sie aus dem Schulunterricht und hauptsächlich von ihrem Vater wusste, ließ keinen anderen Schluss zu, als dass Krieg das schlimmste auf Erden war. Sie fragte sich spontan, warum die Menschen es einfach nicht schafften, in Frieden zu leben.
Und bei diesem Gedanken fiel ihr ein, wie friedlich Schenas Welt doch war. Sie musste dringend wieder Klarheit in ihre Gedanken bringen. Deshalb zog sie sich nach dem Frühstück wieder in ihr Zimmer zurück. Sie machte den CD-Player an und legte »Escapology« ein, die neueste CD von Robbie Williams, ihr wertvollster Besitz. Bei dieser Musik konnte sie hervorragend entspannen und nachdenken. Sie legte sich aufs Bett.
Ich bin hier eingeschlafen und wieder aufgewacht. Es muss also ein Traum gewesen sein, ein Gemisch aus Realität und Unsinn, genau wie Papa es meinte. Ein Ergebnis meiner blühenden Fantasie. Die einzige andere Erklärung ist, dass ich verrückt werde. Real kann es auf keinen Fall gewesen sein, ich war ja die ganze Zeit hier.
Es war frustrierend. Es gab keine logische Erklärung für ihre Erlebnisse. Und je mehr sie drüber nachdachte, desto verworrener kam ihr das alles vor.
Sie hatte keine Ahnung, ob sie nun Angst davor haben müsste, häufiger in diese Welt zu geraten. Vielleicht war dies schon das erste Zeichen einer beginnenden Verrücktheit, oder war es doch nur ein einfacher, einmaliger, durchgeknallter Traum.
Sie entschied sich für letzteres. Alles andere war schon auf eine gewisse Art verrückt. Und da blieb sie doch lieber bei der Sichtweise ihres gesunden Menschenverstandes.
Ihr kam wieder das Thema Krieg in den Sinn. Warum gab es also nun so viel Krieg? Das erinnerte sie dran, das genau diese Frage vor nicht allzu langer Zeit in ihrer Robin Wood-Jugendgruppe diskutiert wurde. In diese war sie eingetreten, nachdem sie begriffen hatte, wie die Menschen ihre Umwelt vergifteten. Sie wollte etwas ändern, aber ihr Idealismus war spürbar gesunken, nachdem sie die Ausweglosigkeit ihres Unterfangens begriff. Zwar hatte sie mit ihrer Gruppe in verschiedenen konkreten Projekten etwas bewirkt. Aber wirklich etwas ändern konnte sie nicht.
Es gab einen Punkt in ihren
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