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Habiru

Titel: Habiru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Gerhardt
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euch, ich meine, wer sagt euch, was ihr zu machen habt?«.
    »Also, wenn wir Fragen haben, fragen wir zuerst die Älteren, die haben mehr Lebenserfahrung und Weisheit. Sie lehren uns mit Liedern und Gedichten ihr Wissen. Über viele Generationen bleibt so unser Wissen erhalten. Was wir zu machen haben? Wir wissen es einfach. Es ist durch die Sitten geregelt.«
    »Und wenn jemand gegen diese Sitten verstößt? Gibt es denn keine Gewalt bei euch? Wer sorgt dafür, dass alle Sitten eingehalten werden?«
    »Natürlich gibt es auch bei uns manchmal Gewalt. Alle Tabus und Gebote schützen davor nicht. Wir setzen uns dann in der Sippe hin und versuchen mit Hilfe der Weisheit der Älteren die Fehlhandlung zu erkennen und zu heilen.« Sarah war erstaunt, konnte das Gesagte aber noch nicht wirklich einordnen. Sie hatten also auch feste Regeln, an die sie sich zu halten hatten, und dennoch: Etwas war komplett anders. Die gesamte Gesellschaft schien durch die Sitten geregelt zu sein, so etwas wie Polizei schien keiner zu kennen. »Was ist aber, wenn jemand immer wieder Verbrechen begeht? Wenn eure Heilung keinen Erfolg zeigt?«
    »Das kommt sehr selten vor. Nach alter Sitte kommt dann der Dorfrat zusammen und entscheidet, ob der Verbrecher aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird. Es ist das letzte Mittel, und wenn wir uns dazu entscheiden, wird dieser Mensch nie wieder mit uns leben dürfen. Er ist dann ein Kom-Ru, ein Ausgestoßener. So lange wie ich mich erinnern kann, gab es so jemanden noch nicht. Man erzählt aber schauerliche Geschichten von einem Verbrecher namens Usarik, der zwei Menschen ermordete, und dann ein Kom-Ru wurde. Selbst seine Sippe war froh, als er weg war.«
    Sarah begriff mehr und mehr, aber ihr Gehirn rauchte. »Lass' uns erst mal Schluss machen mit diesem Kulturaustausch, ich muss erst mal einiges verdauen.«
    »Ist gut. Ich kann heute auch keine weiteren Einzelheiten deiner Welt aufnehmen. Lass' uns doch was spielen. Wie wäre es, wenn wir zum Fluss gehen würden?«
    »Das wäre schön, wir leben auch an einem Fluss, mal schauen welcher größer ist!«

4. Am Fluss
    Der Position der Sonne nach, die jetzt, am späten Nachmittag tief im Südwesten stand, lag der Fluss südlich vom Dorf. Sarah blinzelte häufiger mit ihren Augen, da die Strahlen ihr genau ins Gesicht schienen. Sie waren dieses Mal höchstens zehn Minuten gegangen, als man schon das leise Plätschern des Flusses hörte. Dieser Fluss war mit der Elbe nicht zu vergleichen. Er war höchstens zwanzig Meter breit, und sein Wasser floss sehr langsam. Sein Laufbett schlängelte sich durch die ebenen, saftigen, grünen Wiesen.
    Sie kamen zu einer Stelle, an dem ein kleiner Strand war. Die Böschung war dort auf ein paar Meter frei von Dickicht und Holzresten.
    Sie empfand augenblicklich die natürliche Schönheit dieser Stelle, sie fand es atemberaubend und war regelrecht beseelt.
    »Hier baden und waschen wir und holen auch unser Trinkwasser her. Im Moment führt er reichlich Wasser, im späten Jahr, kurz nachdem wir die Felder abernten, führt er etwas weniger Wasser.«
    Sarah nahm die Atmosphäre in sich auf, es war ähnlich wie beim Anblick des Sees oberhalb des Dorfes. Sie fühlte sich gut, es schien ihr wieder sehr vertraut. Diese Welt hatte eine ansteckende Wirkung, ihre Natürlichkeit, ihre Schönheit, der Frieden, all das löste Wellen der Glückseligkeit in ihr aus.
    So vergass Sarah die vorherigen Diskussionen, und auch ihre Sorgen, wo sie war und wie sie hierher gekommen war.
    Sie spielten am Fluss, gingen in dem warmen Wasser baden und vergaßen auch die Zeit. Die Sonne war schon fast untergegangen, und der Himmel hatte sich violett verfärbt, als sie bemerkten, wie spät es schon war. »Wir müssen zurück ins Dorf, in der Nacht ist es außerhalb zu unsicher, wegen der wilden Tiere. Nicht alle reagieren freundlich auf Menschen, sie könnten denken, wir seien etwas zu essen.«
    Fast bedauerte Sarah die letzten Worte Schenas, sie hatte sich rundherum wohlgefühlt, und ihr kam es eine Ewigkeit vor, seitdem sie zuletzt so sehr von allem Alltag loslassen konnte - so als ob es vor ihrer Einschulung gewesen war. Viel zu sehr plagten die Probleme in der Schule, zu Hause und neuerdings auch mit den Jungens.
    Und eine Gefahr in dieser friedlichen Welt? Das konnte sie sich kaum vorstellen, aller wilden Tiere zum Trotz.
    Aber sie fühlte sich plötzlich müde, die frische Luft und die viele Bewegung machten sich bemerkbar. Sie gähnte und sagte:

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