Habiru
Schena an, aber sie schwieg ebenfalls. Dann, nach einer ganzen Weile, sagte Inanna: »Dich schickt die Göttin, du kannst uns wirklich eine große Hilfe sein!«
Sarah war nicht sicher, ob sie wirklich alles verstanden hatte.
Und gleichzeitig war sie erstaunt, wie wenig Zweifel Inanna hatte. Sie zeigte zwar auch Überraschung, genau wie alle anderen, denen sie bisher ihre Geschichte erzählt hatte, was ja auch verständlich war, aber sie zweifelte nicht eine Sekunde an ihren Worten. Als ob es völlig selbstverständlich wäre, dass jemand sagen würde, er käme aus der fernen Zukunft und träumte die
Anwesenheit nur.
Nachdem sie kurz geschluckt hatte, sagte sie: »Ich weiß nicht, wie ich euch eine Hilfe sein kann.«
Doch bevor Inanna antworten konnte, horchten sie auf.
Auf einmal hörte man draußen aufgeregte Stimmen.
Nicht doch. Nicht schon wieder - die Habiru können doch nicht schon hier sein, waren nicht nur Sarahs Gedanken, sie standen starr vor Schreck.
»Was auch immer draußen los ist, wir müssen raus, um nachzusehen.« Da hatte Inanna natürlich recht.
Wenn es die Habiru waren, würde ihnen das verstecken in ihrer Hütte auch nichts nützen. Sie traten heraus in die warme Abendsonne, einer nach dem anderen, Sarah und Schena nach Inanna, und sofort sahen sie, was der Anlass für die Aufregung war.
Es waren keine Habiru.
Es waren mehrere Menschen aufgetaucht, die ganz offensichtlich vor den Habiru geflüchtet waren, und anscheinend auch schon mit ihnen Bekanntschaft gemacht hatten. Eine kleine Menschenmenge hatte sich um sie herum versammelt.
Sie sahen zerfleddert aus, ihre Kleidung war teils zerrissen, und starr vor Schmutz.
Inanna ging auf sie zu, um sie nach den alten Sitten zu begrüßen. »Seid willkommen in Erech. Ich bin Inanna, eine der alten Weisen hier, gerne teilen wir Speis und Trank und Lager mit euch.« Aus den Worten hörte Sarah heraus, dass Inanna diese Menschen nicht kannte.
»Seid ebenfalls gegrüßt. Ich bin Almut, das sind Mitglieder meiner Sippe.«
Ein Mann mittleren Alters, mit schwarzen, gelockten Haar und mit einem Vollbart sprach diese Worte.
Wir danken für eure Gastfreundschaft, wir nehmen sie dankbar an, allerdings werden wir nicht lange bleiben.«
»Was ist denn passiert? Seid ihr auf die Habiru getroffen?«
Almut verzog sein Gesicht.
»Richtig, woher wisst ihr schon von ihnen?«
»Diese beiden Mädchen waren in Eridu, als die Habiru dort ankamen und fast alle umbrachten.«
Der Mann war sichtlich zusammengezuckt, als er hörte, dass auch Eridu Opfer
der Habiru wurde.
»Wir sind - wir waren Bewohner aus einem kleinen Dorf östlich der Flüsse, Kal genannt. Die Habiru tauchten vor ungefähr einem halben Mond bei uns auf, und...« Dem Mann blieben die Worte weg. Anscheinend war auch seine Erinnerung an die Habiru mit unsagbarem Leid verbunden.
Inanna merkte diesen Schmerz, und sagte: »Schon gut. Kommt erst einmal mit, ihr könnt euch frisch machen und essen und trinken. Wir haben ganz leckeres Gug-Brot, frisch aus dem Ofen.«
Sie legte freundschaftlich eine Hand auf Almuts Schulter und wies ihnen die Richtung ihrer Hütte. Sie drehte sich noch kurz um und bat Schena und Sarah noch um einen Gefallen. »Könnt ihr beiden bitte zwei große Tonkrüge nehmen und am Fluss frisches Wasser für unsere Gäste holen?«
Schena nickte leicht mit dem Kopf und so holten sie die Krüge und gingen zum Fluss.
»Was meinst du? fragte Schena.
»Zu den Leuten?«
Sie nickte.
»Die scheinen ähnliches mitgemacht zu haben wie wir - und hatten ähnliches Glück.«
»Hah! Glück. Mein Onkel ist tot, Eridu wurde verwüstet, alle Einwohner entweder tot oder versklavt, das war doch das Wort?«
Sarah nickte kurz.
»Und jetzt bedrohen die Habiru unser gesamtes Leben. Da ist kein Platz für Glück.«
Sarah war traurig, sie konnte die elende Stimmung von Schena nachvollziehen. Der kurze hoffnungsvolle Anflug, den Schena noch am See hatte, war schon wieder wie verflogen. Die Ankunft von Almuts Sippe erinnerte sie wahrscheinlich an ihre Erlebnisse in Eridu, und daran, dass sie sich auch für eine Flucht entscheiden könnten. Sie fragte sich gerade, was sie fühlen würde, wenn ähnliches bei ihr zu Hause in Hamburg mit ihr passieren würde. Sie schauderte.
»Du hast recht. Es ist eine elende Situation. Und ich habe immer noch nichtwirklich begriffen, was meine Anwesenheit hier bringen soll, egal ob ich träume oder nicht. Ist es wirklich nur wegen der Erkenntnis, dass hier Mauern
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