Habiru
Wüste.«
Die Menge war sichtlich erschrocken. Aber er war noch nicht fertig. »Sie sind Krieger, und wir haben nicht eine Frau in ihren Reihen gesehen. Ihre eingewickelten Kinder, ja, aber nicht eine einzige Frau. Weiß die Göttin, woher sie ihre Kinder haben.«
Inanna war auch erschrocken, obwohl sie die Schilderungen von Schena schon kannte. Sarah dachte: Es stimmte also doch - es gab keine Frauen!
Nur die Details mit den Kindern kannte sie noch nicht.
Inanna war nur einen kurzen Augenblick sprachlos.
»Deine Schilderungen sind schlimm. Und die Aussagen meiner Enkelin sowie von Sarah bestätigen dich. Vor allem dank Sarah hier wissen wir noch mehr über die Habiru. Sie kommen wirklich aus der Wüste - und es sind sehr viele. Aber wir können nicht ewig vor ihnen weglaufen. Wir sind uns zudem sicher, dass sie wegen Hunger und Durst so handeln, satte Menschen sind nach unserem Verständnis nicht gewalttätig. Wir werden versuchen, ihnen zu helfen, das Land zu bebauen, damit sie endlich die Entbehrungen der Wüste hinter sich lassen und wieder ein normales Leben führen können.«
Inanna schaute in die Menge. Sie hörten ihr weiter gespannt zu.
»Es gibt noch weitere Gründe, warum wir uns entschlossen haben, zu bleiben. In unsere Sippe ist Nerestide schwanger, und wir werden nicht fliehen, weil das ein zu großes Risiko ist.« Sie sah immer noch skeptische Gesichter.
»Und einen Grund gibt es noch. Sarah hier hat uns den Weg gezeigt, wie wir uns mit unseren Mitteln vor den Habiru schützen können. Wir bauen einfach Mauern um unsere Stadt, unsere besten Steinkundigen sind aufgerufen, diese Arbeit schnellstmöglich zu erledigen. Erech wird noch lange weiter existieren, und fruchtbar sein und blühen.«
Keiner fragte, woher Inanna diese Gewissheiten hatte, und ebenso schien keiner verwundert, dass es ausgerechnet Sarah war, von der dieser Vorschlag kam.
»Wie sieht es aus? Welche Sippe möchte gehen, welche bleiben?«
Ein Mann meldete sich. »Gebt uns angesichts dieser neuen Erkenntnisse etwas Zeit, damit wir das in der Sippe besprechen können.«
Es gab allgemeine Zustimmung.
»Diese Zeit sei euch gewährt. Wir treffen uns hier heute um die Doppelstunde nach dem Mittag wieder.«
Die Menge zerstreute sich schnell.
Inanna ging voraus, wieder in die Hütte. Schena fragte vorsichtig. »Was meinst du, Großmutter? Werden die anderen bleiben?«
»Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es.«
Die Zeit verging langsam, wie immer, wenn man auf etwas wichtiges warten musste. Sie nutzten die Stunden, und aßen ein paar Kleinigkeiten. Man diskutierte, wo die Habiru-Frauen wohl waren, und warum sie ihre Kinder so behandelten.
Dann war es so weit. Wieder schritt die Prozession zum Platz. Wieder waren schon fast alle anwesend.
Dieses Mal war das Gemurmel größer, und es dauerte ein paar Augenblicke, bis die Menge ruhiger wurde. Inanna erhob die Hand. »Nun denn, wie sieht eure Entscheidung aus?«
Jede Sippe schickte ihren Ältesten nach vorne, wo diese sich in einer Reihe aufstellten. Einer nach dem anderen verkündete die Sippenentscheidung. »Wir bleiben.«
»Wir auch.«
»Wir verlassen Erech nicht.«
Als alle ihre Meinung vorgetragen hatten, stand fest, dass niemand aus Erech fortgehen wollte.
»Nun Almut, deine Sippe muss alleine weiterziehen, so wie es aussieht. Wir werden hier bleiben und uns der Herausforderung stellen. Euch wünschen wir viel Glück auf euer Wanderung. Möge der Segen der Großen Mutter euch nie verlassen!«
Almut verneigte sich: »Ehrwürdige Mutter Inanna, das wünschen wir euch auch. Es scheint, ihr braucht es dringender als wir. Wir brechen sofort auf.« Er ging zurück zu seinen Leuten, sie hatten ihr wenig Hab und Gut schon gepackt, und brachen tatsächlich sofort auf. Sarah sah ihnen hinterher. Vielleicht war es ein schrecklicher Fehler. Andererseits waren all diese Leute erwachsen, und keiner wurde dazu gezwungen, hier zu bleiben. Nachdem sie außer Sicht waren, sprach Ugur als erster.
»Glückwunsch, Inanna. Du hast es wie immer verstanden, mit deinen Argumenten zu überzeugen. Ich war nicht sicher, ob wirklich alle bleiben würden.«
»Ugur, du kannst mir glauben, das war ich auch nicht. Aber es freut mich. Lasst uns gleich mit den Arbeiten für die Mauer beginnen.«
3. Die Stadtmauer
Sie hatten wirklich keine Zeit verloren. Noch am selben Tag begann man mit den Arbeiten. Zwar hatte man keinen Steinkundigen wie Mousud, aber durchaus fähige Männer und Frauen, die
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