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Habiru

Titel: Habiru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Gerhardt
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sprechen, was zu tun ist. Heute ist noch Zeit der Trauer.« Sarah verstand, dass man heute Trauern wollte. Da sie nicht antworte, sprach Schena weiter:
    »Lass uns zum See gehen. Dort haben wir Ruhe und Zeit zum Reden.«
    Sarah war natürlich einverstanden. Allein die Erinnerung an den See brachte ihr ein wohliges Gefühl. Sie wusch sich mit dem Wasser, welches im Krug bereitstand, und zog die Kleider an, die sie seit ihrer Ankunft schon häufiger getragen hatte.
    Dann machten sie sich auf den Weg. Es war bewölkt, aber trotzdem warm. An diesem Tag war nichts wie sonst, nirgends ging jemand seiner Arbeit nach. Sie sahen nicht viele Menschen, aber die Einwohner von Erech, denen sie begegneten, hatten eine gedrückte Stimmung und grüßten wortlos, als sie vorbeigingen. Die Nachricht vom Tod Arneks und vom Geschehen in Eridu verbreitete sich offenbar wie ein Lauffeuer.
    Nun gingen sie wieder den Weg, den Sarah erst einmal gegangen war. An ihrem ersten Tag hier. Zum heiligen See.
    Erst kamen die Felder, dann die grasbewachsenen Hügel, schließlich der Wald. Sarah blieb kurz stehen. »Hörst du das?«
    »Ja, die Vögel singen wieder. Was auch immer der Grund für ihre Stille war, es ist vorbei.«
    Sie gingen weiter. Dann waren sie dort. Sie setzten sich an den Rand des Sees, und ließen ihre Füße im Wasser baumeln. Es war kalt, aber auch erfrischend. »Inanna wird dich sicher fragen, was wir herausgefunden haben. Darüber habe ich gestern noch nichts gesagt.«
    »Das ist in Ordnung. Ich werde ihr alles erzählen.«
    »Und? Was hast du noch in deiner Welt herausgefunden?« Schena war neugierig. Sarah wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte. Sie versuchte der Reihe nach zu erzählen. »Es gibt bei uns Hinweise darauf, dass es wirklich mal eine Sprache gab - vorher habe ich noch nie etwas davon gehört.«
    Sie erzählte die Geschichte vom Turmbau zu Babel und von ihrer Unterhaltung mit Frau Arnold. Schena hörte mit wachsendem Erstaunen zu. Und Sarah war noch lange nicht fertig. Sie erzählte von ihrer anderen Entdeckung - von der Mauer um Uruk: »Erinnerst du dich noch an mein Staunen, als wir Eridu erreichten?«
    Schena wusste im Moment nicht genau, auf was sie hinauswollte. »Nein, was meinst du?«
    »Ich fragte euch, warum es keine Mauern hatte.«
    »Ja, jetzt erinnere ich mich. Du warst ganz fasziniert, und hast davon gesprochen, dass auch deine Heimatstadt Mauern hat.«
    »Ja. Jede Stadt hatte bei uns früher Mauern. Man hat sogar regelrechte Burgen gebaut, die sehr hohe Mauern und Türme hatten, mit denen man die Städte bewachte und in denen die Krieger wohnten.«
    »Aber was hat das mit dir oder uns zu tun? Ich verstehe nicht.«
    »Schau, es ist ganz einfach. Mauern baut man nur, wenn man Angst vor etwas oder jemand hat. Man schützt sich damit, und sperrt äußere Gefahren aus.« »Und was hat das nun mit uns zu tun?«
    »Uruk ist eine historische Stadt in meiner Welt, genau wie Eridu. Etwas nordöstlich von Eridu gelegen. Während man in Eridu die Überreste für die erste Zikkurat fand, hat man in Uruk Reste einer 8 km langen Stadtmauer entdeckt.«
    Langsam begriff Schena. »Du meinst, man hat wegen einer Bedrohung eine solche Mauer in der Nachbarstadt gebaut?«
    »Genau. Aber es kommt noch besser. Uruk liegt ungefähr da, wo auch Erech liegt. Es scheint sich um ein und dieselbe Stadt zu handeln.«
    Schena atmete hörbar ein.
    Einen Trumpf hatte Sarah noch: »Und die Krönung ist, dass Uruk seine Blütezeit nach Eridu hatte, und zwar für eine sehr lange Zeit.«
    Dass in Uruk Inanna als Göttin verehrt wurde, verschwieg sie lieber. Es war einfach zu viel, und was sollte es bringen, ihr das zu offenbaren?
    »Das ist ja eine sehr gute Nachricht. Wir müssen also nur diese Mauer bauen, und haben wieder eine sichere Zukunft?«
    Sarah versuchte Schenas Optimismus etwas zu bremsen. »Wahrscheinlich schon. Nur hat diese Aktion vermutlich etwas anderes in Gang gesetzt.«
    Sie versuchte es mit dem Schneckenbeispiel zu erklären. »Auf die äußere Bedrohung haben auch die Menschen so reagiert. Sie haben sich in ihr Schneckenhaus - die Mauer - zurückgezogen. Und das hat die Menschen verändert. Sie wurden so wie die Habiru. Sie wurden selber gewalttätig. Und diese Wellen der Gewalt haben sich immer weiter ausgebreitet.«
    Schena verstand nur zu gut, was sie meinte. Schließlich hatte sie der Tag vorgestern auch verändert - so wie er bald alle ändern würde.
    »Was sollen wir machen? Sollen wir keine Mauer bauen

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