Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
um seine tolle Erfolgsstory ganz groß herausbringen zu können. Journalist löst den Fall der ermordeten Filialleiterin – ›Polizei tappt nach wie vor im Dunkeln‹«, erfand sie die reißerische Schlagzeile eines Boulevardblattes.
Aber Hackenholt ging nicht darauf ein. Seine Aufmerksamkeit wurde von weiteren Fahrzeugen abgelenkt, die in diesem Moment auf das Firmengelände fuhren.
Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der frühen Stunde war Dr. Puellen bester Laune. Nach einer kurzen Begrüßung wandte sich Hackenholt Wünnenberg und einem ungefähr vierzigjährigen muskulösen Mann zu, die beide vor der Laderampe neben einem Streifenwagen warteten. Als er näher trat, bemerkte er zu seinem Erstaunen, wie bleich und zittrig der Mann war, den ihm Wünnenberg als Maximilian Gübinger, den älteren Sohn der Unternehmerfamilie, vorstellte.
»Sie haben den Toten gefunden?«, fragte Hackenholt betont ruhig.
Der Metzger hob den Kopf und sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Dennoch dauerte es einen Moment, bis sich sein Blick auf Hackenholt fokussiert hatte.
»Wurde wie ein Schwein abgestochen«, murmelte er statt einer Antwort. Geistesabwesend wiederholte er die letzten Worte. »Wie ein Schwein.« Ein Schauder durchlief seinen Körper und ließ ihn schwanken. Schnell drehte er sich weg und begann einmal mehr zu würgen. Doch sein Magen war mittlerweile so leer, wie er nur sein konnte. Hackenholt gab Maximilian Gübinger ein paar Minuten Zeit, um sich wieder zu fassen, dann öffnete er die Schiebetür des Fahrzeugs und bat ihn, sich zu setzen.
»Kennen Sie den Toten?«, begann Wünnenberg die Befragung.
Gübinger schüttelte den Kopf. »Hab ihn nie zuvor gesehen. Weiß überhaupt nicht, was der bei uns in der Lagerhalle zu suchen hatte. Oder wie er reingekommen ist. War alles abgesperrt, als ich heut Morgen kam.«
Hackenholt registrierte die letzte Information mit großem Interesse und speicherte sie für später in seinem Kopf ab. Nun, da der Mann endlich zu erzählen angefangen hatte, wollte er ihn nicht sofort wieder unterbrechen.
»Weiß auch niemanden, der uns so etwas antun sollte. Sind ein bodenständiges Unternehmen. Kleine Leute. Haben niemanden aus dem Geschäft gedrängt, wofür man sich an uns rächen könnte.«
Gübinger klang aufrichtig, sodass Hackenholt geneigt war, ihm zu glauben. Wer brachte schon jemanden um und hängte den Toten dann für alle sichtbar in der eigenen Firma auf? So etwas würde nur ein ganz abgebrühter Täter wagen.
»Schlachten nicht mal mehr selbst seit letztem Jahr. Machen andere für uns. Zerlegen nur noch und liefern aus.« Der Juniorchef redete wie unter einem inneren Zwang weiter.
Hackenholt kannte dieses Verhalten. Menschen, die unter Schock standen, sagten entweder gar nichts oder redeten sinnlos drauflos.
»Der Mann könnte versucht haben, eine inkorrekte Machenschaft in Ihrer Firma aufzudecken«, schlug er vor, da er die Reaktion des Schlachters sehen wollte. »Man hört immer wieder von Betrieben, die nicht sauber arbeiten und die Hygienevorschriften nicht einhalten. Manche deklarieren sogar billiges Fleisch als teures.«
»Nicht bei uns«, wischte Gübinger den Einwand sofort beiseite. »Passiert nur in diesen riesigen Fleischfabriken im Norden. Sind ein Familienunternehmen. Mach ich alles selbst.« Verzweifelt schüttelte er den Kopf.
Hackenholt spürte, wie er ob der scheinbaren oder tatsächlichen Naivität des Mannes ungehalten wurde. Aber solange er weder Korks Unterlagen über den Fleischskandal in Händen hielt noch irgendwelche anderen Hinweise gefunden hatte, musste er sich mit Anschuldigungen zurückhalten. »Unsere Kollegen bringen Sie jetzt auf die Dienststelle. Dort können wir uns später ausführlicher unterhalten«, sagte er deshalb knapp.
Dr. Puellen war mit seiner vorläufigen Untersuchung fertig und trat Hackenholt entgegen. Ohne sich erst lange mit Höflichkeiten aufzuhalten, kam er direkt zur Sache.
»Zum Todeszeitpunkt kann ich dir nicht viel sagen, bevor ich ihn nicht aufgemacht habe. Durch die Temperatur im Kühlhaus haben sich alle Prozesse verändert. Die Leichenstarre ist aber bereits vollständig eingetreten. Meiner Schätzung nach ist er bereits sechs bis acht Stunden tot.«
Hackenholt quittierte die Information mit einem Nicken.
»Hast du dir den Schnitt aus der Nähe angesehen? Er wurde mit einer einzigen Bewegung ausgeführt. Kein Testschnitt, kein Zögern. Der Täter wusste, was er tat und
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