Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
geschlachtete Tiere, und Alexander hat sich die Entsorgungsfirma als Zubrot aufgebaut.«
»Und warum muss das alles ein Geheimnis bleiben?«, fragte Hackenholt verwirrt.
»Maximilian meint, womöglich würden zu viele Kunden zur Konkurrenz wechseln und wir hätten dann irgendwann nichts mehr zu tun. Er selber war völlig gegen die Umstrukturierung. Hat immer gesagt, wir würden das schon schaffen, wenn wir alle mitanpacken und Alexander beim Schlachten hilft. Aber das wollte der nicht. Er konnte das Gebrüll der Viecher noch nie ertragen.«
Als Christine Mur Hackenholt aus dem Büro kommen sah, winkte sie ihn eilig zu sich.
»Ich habe etwas entdeckt«, sagte sie knapp und führte ihn durch das Firmeninnere zur entgegengesetzten Querseite des Gebäudes.
Unweit der rückwärtigen Tore waren verschiedene Trennmauern eingezogen. Hinter der letzten befand sich eine alte, unscheinbare Eisentür, die so stark verrostet war, dass Hackenholt sie mit bloßen Fingern nicht hätte anfassen mögen. Mur drückte die Klinke hinunter und stieß die Tür mit nur einem Finger auf, um deren Leichtgängigkeit zu demonstrieren. Kein Geräusch war zu hören.
Hackenholt sah seine Kollegin überrascht an. Er hätte wetten können, die Türangeln wären derart eingerostet, dass sich die Tür nicht einmal dann hätte öffnen lassen, wenn sie sich zu zweit dagegengestemmt hätten.
»Willst du damit sagen, die Tür war die ganze Zeit über unversperrt?«, fragte er ungläubig.
»Sieht ganz danach aus. Du solltest also bei deinen Vernehmungen nicht nur herausfinden, wer alles einen Schlüssel für die Vordertür hat, sondern auch, wer diese Hintertür nutzte.« Sie deutete wie immer mit einem Kugelschreiber auf das Schloss. »Alle anderen Türen und Tore gehören zu einer modernen Schließanlage. Nur für diese eine scheinbar vergessene Tür braucht man noch einen alten Bartschlüssel.«
»Ist es möglich, im Labor festzustellen, ob das Schloss zuletzt mit einem Schlüssel oder einem Dietrich geöffnet und vor allem ob es erst kürzlich benutzt wurde?«
Mur nickte. »Klar, das LKA kann derlei Dinge problemlos feststellen, vorausgesetzt ich bekomme das Schloss heraus.« Sie verzog das Gesicht. »Wer auch immer die Tür in Schuss hielt, hat nur die Angeln und den Schließzapfen geölt. Das Einsteckschloss ist festgerostet. Möglicherweise brauchen wir die Feuerwehr, um es herauszuschneiden.«
Zurück im Büro suchte Hackenholt als Erstes Sabine Morlocks Telefonnummer heraus. Als sich unter ihrem Anschluss jedoch nur der Anrufbeantworter meldete, hinterließ Hackenholt keine Nachricht. Er würde es später erneut versuchen.
Anschließend ging er die Akten nach Ludwig Korks Familienangehörigen durch. Als die Beamten vor noch nicht einmal einer Woche nach dem Journalisten gefahndet hatten, hatte Saskia Baumann herausgefunden, dass Korks Mutter in einem Pflegeheim lebte. Der Kollege, dem es zugefallen war, die Mutter nach dem Aufenthaltsort ihres Sprösslings zu befragen, hatte vermerkt, dass die fast siebzigjährige Frau an Alzheimer litt und sich nicht einmal mehr an den Namen ihres Sohnes erinnern konnte. Das betreuende Pflegepersonal hatte auf Befragung hin erklärt, die Frau erkenne Ludwig Kork schon seit mehreren Jahren nicht mehr, aber er komme sie auch nicht sonderlich regelmäßig besuchen.
Obwohl es Hackenholt grundsätzlich widerstrebte, derlei Dinge am Telefon zu besprechen, rief er dennoch im Altenheim an und ließ sich mit der Pflegedienstleitung verbinden. Die Schwester versprach ihm, der alten Dame die traurige Nachricht vom Tod ihres Sohnes zu überbringen; auch wenn die sie nicht verstehen und sofort wieder vergessen werde. Immerhin konnte ihm die Mitarbeiterin einen Onkel in Hamburg als weiteren Angehörigen nennen.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte Hackenholt entsetzt fest, wie spät es schon war. Er musste sich dringend um die Zeugenvernehmungen der Gübingers kümmern. Saskia Baumann konnte Natalie Gübinger übernehmen und Stellfeldt Maximilian, aber mit Alexander, dem jungen Mann, der sich am Morgen so unverhältnismäßig benommen hatte, wollte er selbst reden. Ohne weitere Zeit zu verlieren, erhob er sich, um den Zeugen in sein Büro zu bitten.
Hackenholt sollte schnell am eigenen Leib erfahren, von welch aufbrausender Natur der jüngste Spross der Gübingers war. Kaum eine Frage beantwortete er direkt, zumeist konterte er mit einer Gegenfrage. Eine Taktik, die die Vernehmung ungeheuer in die Länge
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