Hades - Die Welt der Verbannten
auf Hades absetzen. Routinesache, mehr nicht. Elf Sträflinge mehr. Na und? Vielleicht waren inzwischen hundert gestorben. Hades bot Platz für alle.
Die Sonne stand schon tief. Carter kniff die Augen zusammen, denn ihre Strahlen blendeten ihn. Er würde sie heute nicht zum letztenmal sehen, wenn alles nach Plan verlief. Denn er hatte nicht die Absicht, den Rest seines Lebens auf Hades zu verbringen.
Und er würde auch nicht der erste sein, dem die Flucht gelang.
»Wie heißt du denn?« fragte er, als der Wärter ein Stück vorgegangen war. Keine Antwort.
Luder! dachte Carter. Ich werde dich schon zum Sprechen bringen. Wahrscheinlich wirst du bald froh sein, wenn du mit mir sprechen darfst. Ein Sträfling ohne Freunde ist ein toter Sträfling.
Sie mußten warten, während die restlichen Güter verladen wurden. Dann trieben die Wärter sie ins Schiff. Ein letzter Blick auf die Raumhafenanlagen – es war zugleich der letzte Blick auf die Erde. Dann waren sie im Schiff. Der Positronenprüfer tastete sie ab. In Ordnung.
Sie kamen in eine Gemeinschaftszelle und blieben angekettet, obwohl kaum die Möglichkeit bestand, daß einer von ihnen floh. Aber Carter wußte, daß auch das schon passiert war. Ron Barker war es gelungen, zwei Wärter zu erledigen und ein Beiboot zu stehlen. Das war fünf Jahre her. Seitdem waren die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden. Aber Ron Barker lebte. Er hatte in den vergangenen fünf Jahren siebenunddreißig Sträflinge auf ihrer Reise nach Hades befreit. Seit einem Jahr jedoch war niemand mehr entkommen.
Niemand wußte, wie Barker aussah, und der Positronenmusterabtaster hatte ihn niemals verraten. Entweder hatte Barker die Erkennungsfolie entfernen lassen, oder er besaß unter dem Wachpersonal Verbündete.
In der Zelle herrschte eine erträgliche Temperatur. Die eine Seite war mit Matten ausgelegt, auf der die Sträflinge schlafen konnten. Es war nicht bequem, aber es gab schlimmere Dinge.
Carter flüsterte:
»Nun, Betty, immer noch so starrköpfig? Jetzt ist die Unterhaltung erlaubt.«
»Ich heiße Kim. Und wenn ich keine Lust habe, mich zu unterhalten?«
»Würde mit der Zeit langweilig.«
Jemand meinte:
»Dir wird bald nicht mehr langweilig sein. Du kennst ja die Gesetze der Verurteilten, oder nicht? Jede Frau ist tabu, bis wir auf Hades sind. Dort wird entschieden, wem sie gehört.«
Carter sah sich den Mann an. Es war ein Bulle von einem Kerl mit einem speckigen Nacken. Seine kleinen Augen funkelten tückisch und herausfordernd.
»Wie heißt du?« fragte Carter.
»Das geht dich einen Dreck an.«
»Auch gut.«
Der Sträfling, der mit Carters linker Hand verbunden war, flüsterte:
»Nimm dich in acht, Kumpel. Das ist Lui Palatti, der Schläger. Er kann ein ganzes Gefängnis terrorisieren. Wir haben Pech, daß wir ausgerechnet mit dem zusammengekommen sind.«
Carter lächelte. Ihm war es gleich, wann die Kraftprobe stattfand, die unausbleiblich war. Aber er hatte auch keine Lust, von den Wärtern herausgeholt, verprügelt und dann von Kim getrennt zu werden.
Der Boden unter ihnen begann zu vibrieren, und dann startete der Frachter. Trotz der Antigravanlage spürte man den Andruck bei der hohen Beschleunigung, die das Schiff schnell aus dem unmittelbaren Schwerebereich der Erde brachte. Der Flug nach Hades würde zehn Tage in Anspruch nehmen. Beim Aufenthalt im Hyperraum legte man stündlich mehrere Lichtjahre zurück.
Aber kein Schiff konnte ununterbrochen im Hyperraum bleiben.
Carter spürte nach langer Zeit, daß der Andruck nachließ. Man hatte Transitionsgeschwindigkeit erreicht. Die Computer würden nun den Kurs festsetzen und die Koordinaten für den Sprung errechnen. Diese verdammten Fesseln. Carter würde jetzt lieber in der Zentrale sein und die Bildschirme beobachten.
Aber er war ein Sträfling.
»Wissen Sie, wie es auf Hades ist?« fragte Kim.
Carter war erstaunt, daß sie ihn ansprach. Er wandte sich ihr zu und sah ihre Augen. Die harte Entschlossenheit war verschwunden. Dafür erkannte er Zweifel und Furcht.
»Niemand weiß es, Kim, denn niemand ist je von Hades zurückgekommen. Und wenn, dann schwieg der Betreffende darüber. Aber es sickerte einiges durch. Soll ich Ihnen wirklich sagen, was uns erwartet?«
»Ja, bitte. Die Wahrheit ist mir lieber als das bange Warten.« Carter seufzte.
»Sie haben ja gehört, was der dicke Kerl da eben sagte. Sobald man uns auf Hades abgesetzt hat, wird der Kampf um Sie beginnen. Bilden Sie sich nicht
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