Hades - Die Welt der Verbannten
ein, daß Sie frei bleiben können. Es gibt zu wenig Frauen dort.«
»Ich suche mir meinen Mann selbst aus …«
»Die Männer dort entscheiden, wem Sie angehören werden – wenigstens für eine gewisse Zeit.«
Sie zuckte zusammen. Unerbittlich fuhr er fort:
»Sie werden von einem zum anderen wandern, bis Sie niemand mehr will. Dann nimmt Sie vielleicht einer zum Waschen und Putzen – so genau weiß ich das auch nicht. Niemand kennt die Verhältnisse dort. Ich weiß nur, daß es stark gesicherte Wachstationen gibt, die im äußersten Notfall für Ordnung sorgen sollen. Aber sie sind nicht dafür da, verfolgten Sträflingen Schutz zu gewähren. Die Gefangenen regieren sich selbst. Sie haben eine eigene Verwaltung, die aber kaum auf demokratischer Grundlage beruhen dürfte. Sie verstehen, wie ich das meine?«
»Gewalt?«
»Genau. Der Starke regiert, der Schwache hat sich zu beugen.«
»Wie auf der Erde also.«
Es klang bitter. Carter horchte auf.
»Weswegen hat man Sie verurteilt?« fragte er.
Sie lächelte.
»Ganz am Anfang haben Sie mich geduzt. Wie heißen Sie überhaupt?«
»Rog Carter, Kim. Sollen wir beim Du bleiben?«
»Sie dürfen zu niemandem darüber sprechen. Ich … ich weiß eigentlich selbst nicht, warum man mich nach Hades schickt. Ich glaube, jemand will mich aus dem Wege haben.«
Carter war ehrlich erstaunt.
»Wieso, Kim? Niemand kann ohne Urteil nach Hades geschickt werden, das ist unmöglich.«
»Es gab ein Urteil, Rog: Umsturzversuch.«
Carter gab keine Antwort. Die Anklage gegen ihn hatte ähnlich gelautet. Das war ein merkwürdiger Zufall. Es hatte in letzter Zeit sehr viele Anklagen und Urteile dieser Art gegeben. Viel zuviel.
»Wer sollte Interesse daran haben, dich auf diese Art und Weise auszuschalten, Kim? Hast du persönliche Feinde? Wer sind deine Eltern?«
»Mein Vater ist Jon Block, der Industrielle. Ich bin seine einzige Tochter. Er ist mächtig, aber er hat mir nicht helfen können.«
Carter entsann sich. Jon Block besaß riesige Fabriken in fast allen Ländern der Erde. Er belieferte die Kolonialplaneten mit allem, was Siedler und Militärs brauchten. Er war einer der reichsten und mächtigsten Männer der Welt.
Und seine einzige Tochter war jetzt hier, angekettet an ihn und auf dem Flug nach Hades! Carter roch, wenn etwas faul war.
Und hier war eine ganze Menge faul.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, flüsterte er nach einer Pause. »Ich kümmere mich um Sie. Dieser Lui Palatti tut Ihnen bestimmt nichts.«
»Jetzt haben Sie das Du wieder vergessen, Rog. Nur deshalb, weil mein Vater Block heißt?«
»Entschuldige, Kim. Kommt nicht wieder vor.«
Sie lächelte.
»Abgemacht, Rog.«
Etwas später brachten zwei Wärter elf Schüsseln, in denen eine schmutzig-graue Brühe schwamm. Die Ketten gaben genug Spielraum, so daß jeder die Schüssel ansetzen und austrinken konnte.
»Ein Saufraß«, protestierte Palatti wütend. »Wenn das so weitergeht, kommen wir nicht lebend auf Hades an.«
»Wäre auch kein Verlust«, gab einer der Wärter zurück und sammelte die Schüsseln wieder ein. »In einer halben Stunde gibt es Trinkwasser – oder wünschen die Herren etwas Besseres zu trinken?«
Niemand sagte etwas, sogar Palatti schwieg. Er wußte, daß sie dann gar nichts zu trinken bekämen. Aber kaum hatten die Wärter den Raum verlassen, kam er auf Carter zu. Notgedrungen folgten ihm die an ihn Geketteten.
»Du läßt die Finger von dem Mädchen«, befahl Palatti. »Sonst setzt es Hiebe und nicht zu knapp. Verstanden?«
»Kann ja hören, Großer. Aber hat das nicht Zeit bis Hades? Hier gibt es nur Ärger für uns alle, wenn wir uns streiten. Vertragen wir uns bis dahin. Einverstanden?«
Die Männer murmelten beifällig. Palatti grinste. »Schon die Hosen voll, was?«
Carter beherrschte sich.
»Vielleicht. In zehn Tagen kannst du ja mal nachsehen.«
Palatti grunzte etwas Unverständliches und kehrte an seinen Platz zurück. Später brachten die Wärter Trinkwasser in Bechern. Bevor sie gingen, sagte einer von ihnen:
»Ruheperiode. Reden ist verboten. Schlaft besser. Schlaf wird euch später fehlen, wenn wir erst dort sind.«
Dort – das war Hades.
Die Tür schloß sich.
Carter spürte neben sich die Wärme des jungen Mädchenkörpers. »Gute Nacht«, murmelte er.
Sie sagte nichts, aber er fühlte, wie sie sich hilfesuchend gegen ihn preßte.
*
Am fünften Tag des Fluges sagte Palatti:
»Ich habe die Gewohnheiten der Wärter beobachtet und bin
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