Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Manne sonst eine weitere Enttäuschung bereiten müssen. Wie jeder Indianer vermied Winnetou es, in einem Hause, einem »festen Tipi« zu schlafen. Er hielt sich nicht einmal gern in einem auf, wie erst in einer Ansammlung solcher Tipis, einer Stadt. Längst saß er wieder auf dem Rücken seines Pferdes, um sich in der nahen Wildnis, unter den Sternen, zu betten. Pfäffles Monolog abkürzend, fragte ich:
»Wie war das nun mit dem Mexikaner und dem Mädchen?«
Und der Wirt, von seinem Schwäbisch und meinem Winnetou umschwenkend auf unser Hochdeutsch und jene beide Personen, berichtete mir folgendes:
Vor einer Woche sei mit der Eisenbahn ein Fräulein angekommen: jung, bildschön und elegant gekleidet; resolut, selbstbewußt und sehr, sehr katzenäugig. Das Fräulein hatte Logis im Boarding House genommen, weil es erfreulicherweise Deutsche war und der Wirt ja auch. Den Namen hatte er sich als Alma Grüner aus Leipzig notiert. Ausgezeichnet englisch sprechend, begann der weibliche Gast Erkundigungen einzuziehen: Ob letztens ein älterer Herr durchgekommen sei? Nebst Gattin sowie vielleicht einem Mädchen, welches ihr, Alma, ähnlich sehe wie ein Zwilling? Ob derlei Gäste sich wenigstens angekündigt hätten? Möglicherweise sei von einem ganzen Troß Wissenschaftler gesprochen worden, man denke bitte genau nach; um Herrschaften müsse es sich handeln, welche jener Herr Grüner anzuführen gedenke, übrigens ein
renommierter Archäolog, Privatforscher und ihr Vater. Also, hatte man von diesen Leuten gehört?
Aber niemand in Cheyenne, auch nicht Herr Pfäffle, hätte dem Fräulein Grüner weiterhelfen können. An Mister Washburn habe man sie verwiesen, der aber hatte diese Namen ebenfalls noch nie gehört.
Dann war jener Mexikaner aufgetaucht.
Ihn beschrieb mir Pfäffle als groß und ausgesprochen schlank, dabei muskulös und sehnig gebaut, ein ansehnlicher Schnurrbart – was wollte das heißen? Der Wirt selbst war ja klein und ausgesprochen dick, dabei wenig muskulös und sehnig gebaut, er selbst verfügte über einen ansehnlichen Schnurrbart. Menschen seiner Statur neigten leider dazu, einen jeden, der auch nur um einen Zentimeter größer und um ein Kilogramm leichter war, für einen Übermenschen anzusehen. Daher hatte ich mir den Mexikaner wohl eher gegenteilig vorzustellen.
Von dem Streit, den Hayes durch sein Heranpirschen an das Fräulein Alma hervorgerufen hatte, wußte ich schon, daß sein Kumpan Kilmer sich darin eingemischt und mittels einer Lüge alles »geschlichtet« hatte. Endlich aber erfuhr ich, welches angebliche Ziel Fräulein Grüner genannt worden war: der Green River. Auf dem Weg dorthin lag zwar das nahe Laramie, danach aber begann eine Abfolge von Flüssen, Ebenen und Hügeln, in der sich jeder Gegner meist schon von weitem ausmachen ließ; dieser Teil des Ritts würde wenig Gefahr bergen. Dann jedoch, ab den Zuläufen des Green River, würde sich die Landschaft verändern. Ab hier war es mehr oder weniger eine gerade Linie zu einer Reihe von Gebirgszügen, die zur Yellowstone Range 53 führten. Daß sich am Green River ein aufgelassenes Armeelager befinden sollte, erschien mir nicht unbedingt als eine Lüge, daß nach dorthin jener Herr Grüner, Almas Vater, unterwegs sei, um so mehr.
Für Winnetou und mich mußte es sich darum drehen, dort vor
Hayes und Kilmer anzulangen, noch besser: das Mädchen und seinen Begleiter unterwegs einzuholen. Das würde, trotz des Vorsprungs der beiden, keine Unmöglichkeit sein, selbst wenn unsere Gegner sich bereits vor uns gesetzt hatten. Da Hayes mit Donnerwolke, dem Häuptling der Schoschonen, im Bunde war, würde er gewiß zuerst diesen aufsuchen, so daß wir spätestens in dem Fort mit einem Kampfe rechnen mußten, dann allerdings gegen eine Übermacht von Indianern.
Dies alles beschäftigte mich in jener Nacht, doch was mich schier ratlos machte, war die letzte Bemerkung Pfäffles, als ich mich in mein Zimmer verabschiedete und er mir, anstatt eines Schlummertrunks, die folgenden Worte mitgab:
»Denket Sie, Mischter Schätterhänd, d’r Säckel mit dem grün’ Sombrero hätt dem Mädle beig’stande, dabei hätt der ned amol an richtigen Namen g’hätt. I hent ihn nie recht verstande, aber g’hoiße und g’schwätzt hätt des Bürschle grad a so, wie wann unseroins Erkältung hätt!«
Zwei Tage nach den Ereignissen im Boarding House und nachdem es mir gelungen war, Mister Washburn von den Vorteilen getrennten Reisens zu überzeugen,
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