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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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feinen Armgelenken, nicht den Hauch von Kriegs- oder Jagdfarben in dem ganz glatten Gesichte zeigte, jener mochte in seinem fünfzehnten, allenfalls sechzehnten Sommer stehen; die Angehörigen von Naturvölkern reiften schnell. Winnetou, der mit dem kleinsten Gegenstande indianischer Nähkunst vertraut war, flüsterte mir mit Blick auf Material, Form, Naht und Machart des Lendenschurzes, welchen der Schlafende nur trug, zu:
    »Upsaroka!«
    Mehr brauchte ich nicht zu wissen, den Rest erahnte ich, genau wie mein Blutsbruder: Dieser junge Krähenindianer – ein Crow oder Upsaroka – hatte sich ganz allein auf den Pfad der Schoschonen gewagt, die ihrerseits immer öfter ihre angestammten Gebiete verließen. Infolgedessen hatte er sich in unvertrautes Gewässer gestürzt, einer Absicht wegen, die nur eine kriegerische sein konnte. Dies alles für sich war schon bemerkenswert, aber dieser Indianer war auch sonst ein Prachtknabe. Unbedingt entstammte er dem edelsten Geblüt seines Volkes, war einer Reihe hervorragender Ahnen gefolgt und von deren anderen Nachkommen auf das vortrefflichste in allen typischen Fertigkeiten unterrichtet worden, wenngleich der letzte Schliff noch fehlte. Sich diesen selbst zu verschaffen, hatte er sich auf einen Einsatz gewagt, mit nichts mehr als einem einfachen Messer bewaffnet: Vor uns lag ein Häuptlingssohn.
    Bald öffneten sich die lang bewimperten Augen, zwar nur um ein geringes, doch wir sahen es. Ein unauffällig sein wollendes Blinzeln war zu bemerken, dem ein mehrmaliges, kaum wahrnehmbares
Zucken der feingeschwungenen Lippen folgte – Anzeichen, daß unserem Freunde das Bewußtsein zurückkehrte.
    Und plötzlich dehnte sich der inzwischen wieder ganz getrocknete Körper; Muskeln und Sehnen zogen sich konvulsivisch zusammen. Diese kurze, so heimlich wie geschickt aufgebaute Spannung genügte dem Kerl, sich mit einem einzigen Satze aus der Rückenlage in den Stand zu federn; ein Kunststück, das sonst nur Zirkusartisten beherrschten.
    Gar nicht verwirrt oder zaudernd wirkend, ging der Wiedererwachte in Kampfstellung über. Dazu faßte er sich an die Seite seines Lendenschurzes, wo er immer noch seine Klinge vermutete, doch wie verblüfft war er, als sein Griff ins Leere ging! Erst da schien er sich zu erinnern: abgetrieben worden war er – schwimmen hatte er müssen – fast ertrunken war er – und ja, einen Kampf hatte es gegeben – doch er lebte! Hatte er demnach gesiegt?
    Die Schlaufe an dem Lendenschurz, denn eine Messerscheide gab es nicht, war jedoch leer; keine drei Manneslängen von dem Jungen stand ich mit meinem Blutsbruder, und beide lächelten wir – gewitzt genug war ich gewesen, dem bloßhäutigen Schwimmer das gegen mich gezückte Messer zu entwinden. Jetzt zog ich es langsam und bedeutungsvoll aus meinem bereits wieder angelegten Gürtel. Aus der Verblüffung des Roten wurde jähes Erschrecken.
    Trotz der sprichwörtlichen Selbstbeherrschung der Indianer verriet uns sein Gesicht seine Gedanken: Er befand sich einem fremden Bleichgesicht und einem ebensolchen Indianer gegenüber; beide waren bewaffnet, er nicht. Schwerlich konnte man von ihm etwas anderes wollen als seinen Tod. Bei dieser Erkenntnis schüttelte der Junge seinen fast wieder trockenen Schopf, dessen Besitz ihn in diesem Moment ein fraglicher dünken mochte.
    Ich aber wollte den Tapferen nicht länger erschrocken sehen. Kurzerhand warf ich ihm sein Messer zu, wie man es unter Freunden tat, und zwar mit dem Knauf voraus, er, gesegnet mit den Reflexen eines Raubtieres, fing es auf und steckte es weg, erleichtert über dieses friedliche Zeichen. Er brachte ein Lächeln zustande,
als ob meine und seine Geschicklichkeit etwas ganz Selbstverständliches wären, überhaupt zwischen uns dreien das beste Einvernehmen herrschte.
    Dabei war meine Geste noch mehr als ein Vertrauensbeweis; sie machte die Anerkennung deutlich, die Winnetou und ich dem jungen Manne zu zollen bereit waren. Eine solche Haltung, wie man sie im Mittelalter Ritterlichkeit nannte, ist im Grunde einem jeden Menschen eingegeben, gar dem Abkömmling eines alten Indianergeschlechts. Aus dem hübschen, entspannten Knabengesicht strahlte es:
    » Asch’t no pa-ti – ich heiße Vogel.«
    Mehr gab er nicht preis, der junge Mann, aber in dieser knappen Auskunft schwang neben einigem Selbstbewußtsein eine Erklärung mit, in welcher Absicht er unterwegs sei – Vogel, ohne jedes Attribut, so konnte kein Krieger heißen. Hier war einer

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