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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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wandten uns den Plains zu – die frische Spur eines
Wagens unseren Weg querte. Bis zum Horizont und dahinter erstreckte sich ja die Ebene, die vor uns lag, doch war sie nur auf den ersten Blick eine solche zu nennen. In Wirklichkeit schmiegte sich eine grasbesprenkelte, mannstiefe Senke an die nächste, zu Dutzenden, zu Hunderten, wenn nicht Tausenden. Doch eine jede war von üppig wachsendem Panicum virgatum, Rutenhirse, bestanden, so daß sich oberflächlich das Bild einer durchgehend begrünten Fläche bot.
    Um so mehr stach jene Spur heraus – ein einzelner Wagen, in dieser Wildnis?
    Das mußte unsere Aufmerksamkeit erregen. Siedler würden hier kaum den richtigen Boden zum Ackerbau finden; die Weiden der Rinderzüchter lagen in der Nähe der Bahnstationen. Warum also dieser Wagen, dem, der Spur zufolge, auch nur ein einziges Pferd vorgespannt war?
    Ein ganz bestimmter Erster Mundkoch fiel mir ein – war er so unvorsichtig gewesen und hatte sich, gegen meinen mehrfachen Rat, auf den gefährlichen Weg zu den Indianern gemacht? Wollte er ihnen ernsthaft Rezepte und Zubereitungsweisen für seinen König abschwatzen? Welch unglaublicher Leichtsinn!
    Noch ehe ich zu Winnetou eine Bemerkung darüber machen konnte, sah ich, daß er suchend in die Ferne blickte, wie aus Stein gehauen standen er und sein Tier da. Alsbald glitt über die unbewegte Miene des Häuptlings jener Schatten, von dem ich einleitend sprach, vielleicht noch ein wenig heller und schalkhafter, als ich es je bei ihm bemerkt hatte. Natürlich hütete ich mich, Winnetous Antlitz in diesem Moment genauer zu betrachten; mit Blikken visitiert zu werden, schätzte er zu keiner Zeit, allein aus den Augenwinkeln sah ich zu ihm hinüber. Über seine Entdeckung schien er keineswegs besorgt zu sein, vielmehr amüsierte er sich über etwas oder jemand, vielleicht beides, und erst jetzt, da auch ich suchend über die sich vor uns ausbreitende Ebene blickte, erkannte ich, was seinem Gemüt dieses ungewöhnliche Mienenspiel verschafft hatte.

    Von dem Hügel aus, auf dem wir uns befanden, bot sich uns ein Fernblick, wie ihn allenfalls ein Schiffsreisender auf weiter See genießen durfte. Viel näher bei unserem Standorte aber, etwa eine halbe Meile voraus, vollzog sich ein unglaublicher Vorgang. Mitten in der Prärie, umrauscht von Büffelgras und dem ewig singenden Wind, im allmählich ersterbenden Tageslicht, sahen wir einen kleinen Mann mit einer Kochschürze um die Lenden. Er hatte die Ladeluke seines Planwagens heruntergeklappt, bedeckte diese gerade mit einem Damasttuche und sang dazu:
    Der Herrgott schafft ’s Vieh,
der Herrgott schafft ’s Fleisch,
und trennt ma ois zwoa,
gibt’s a sakrischs Gekreisch!
    Ein bairisches »Gstanzl«! Ein aus dem Stegreif gesungener Vierzeiler, dem ein übermütiges »Holladiri-ah, Holladi-ho!« folgte. Zu diesem ungewöhnlichen Gesang klapperte der Sänger mit Porzellantellern, denen feines Silber folgte, blinkendes Kristall und das Weiß akkurat gefalteter Servietten. Zwei, drei, vier Gedecke legte er auf und sorgte für noch mehr Gesang:
    A Pfund in mei Pfann,
a Pfund in mein Topf,
vom Rest mach i Sülz,
bind mir’n Schwoaf an mein Schopf!
    Sofern ich diesen Spottgesang richtig deutete, ging es um die Aufteilung eines just geschlachteten Rindes, wobei nach Suppe, Braten und Sülze auch die Schwanzspitze des Tieres zu Ehren gelangte, als Schmuck für die Haartracht oder den Hut des Metzgers oder – Kochs!
    Also hatte der sturköpfige Bayer es doch gewagt; völlig auf sich gestellt, war er hinaus in die Prärie gefahren, und jetzt, in der
beginnenden Dämmerung, schien er um nichts mehr besorgt zu sein als um einen hübsch dekorierten »Tisch«!
    Ich nahm mein Fernrohr zur Hand. Nach allen Himmelsrichtungen hielt ich Ausschau nach möglichen Feinden, doch niemand war zu sehen. Wären wir Feinde gewesen, hätte es nur eines einzigen guten Schusses bedurft, den unvorsichtigen Mann vor uns zu töten. Er aber hatte Glück. In leichtem Trab, um ihn bei unserem Näherkommen nicht zu erschrecken, hielten wir auf ihn zu.
    »Guten Abend!« rief er uns, ehrerbietig wie zuletzt, entgegen. »So habe ich doch nicht umsonst gedeckt, wenigstens nicht diesen Abend. Ich hoffe, Master, Euren und Winnetous Geschmack mit meinem kleinen Dinner zu treffen!«
    Ich sprang aus dem Sattel. »Aber Herr Hirtreiter, was machen Sie denn für Sachen? Beabsichtigen Sie etwa, hier draußen einen Ausschank oder einen Imbiß zu

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