Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
und mit bebenden, vollen Lippen, eine weiße Nscho-tschi oder, wie Winnetou gesagt hatte, eine Goldene Squaw. Große Augen von der Farbe eines Waldsees blickten mich an:
»Old Shatterhand – – – «
Es stand fest, daß Winnetou und ich Alma vor Hayes und den Indianern beschützen mußten, aber ihrer Bitte, ihr im Anschluß zur Verfügung zu stehen, konnte und durfte ich nicht entsprechen. Wie hatte ich mich gefreut, meinen Blutsbruder wiederzusehen, und umgekehrt, und unter welch turbulenten Umständen war dies geschehen. Wie wenig, fast gar keine Zeit war uns seither geblieben, wie wenig hatten wir uns ausgetauscht, und nun sollte ich, da noch nicht einmal das eine Abenteuer hinter uns gebracht war, mich schon auf ein anderes einlassen, ohne Winnetou zu fragen? Nein, das war unmöglich, ausgeschlossen! Ich mußte dem Liebreiz der Schönen widerstehen und ihr leider absagen, und darum hörte ich mich mit fester Stimme sagen:
»Ja, liebes Fräulein, ich verspreche Ihnen, Ihren Vater zu suchen und das Rätsel zu lösen!«
Wir ritten Stunde um Stunde. Fort ging es von der natürlichen Felsenburg, welche uns, wie schon gesagt, besten Schutz, aber kein Wasser bieten konnte. Die Zeit, nach verborgenen Quellen zu suchen oder zu jagen, »Fleisch zu machen«, hatten wir nicht. Schnell konnten die Indianer sich sammeln, um wieder anzugreifen.
Wenn sie entdeckten, daß wir abgerückt waren, würden sie uns unbedingt nachsetzen. Mit ein paar unverbindlichen Schüssen würde es dann nicht mehr getan sein.
Mir kam die knifflige Aufgabe zu, mit Halef und Fräulein Alma sowie den Lasttieren eine möglichst große Strecke zwischen uns und die Schoschonen zu legen, dabei aber keine Spuren zu hinterlassen, das heißt, diese gründlich zu verwischen. Kompliziert wurde dies, weil ich Winnetou gleichzeitig die Gelegenheit geben mußte, unserer Fährte folgen zu können, ihm darum heimliche Zeichen machte, die für ihn selbst in der Dämmerung sichtbar sein würden. Inzwischen mußte er zu Hirtreiter und Everts zurückgekehrt sein. Diese teilten sich immer noch ein einziges Pferd, so daß auch wir uns nicht zu schnell bewegen durften. Des ungeachtet war auch noch ein Lagerplatz zu suchen und nach den Feinden Ausschau zu halten – das Wort »knifflig« hatte seine Berechtigung.
Warum ich dennoch guter Dinge war?
Ich hatte Halef gefunden! Dadurch war ich einer unbestimmten Sorge enthoben, welche die ganze Zeit, wie ich erkannte, in mir gearbeitet hatte.
Außerdem war da die Bekanntschaft mit Alma Grüner. Diesem Wildfang beim Reiten zuzusehen war eine Freude. Nicht nur, daß sie dabei Beinkleider trug, was ihrer zierlichen Gestalt das Gepräge eines Jünglings gab, sie ritt auch wie ein solcher und saß nicht etwa im Damensattel zu Pferde. Offenbar von einem guten Kavalleristen unterrichtet, hatte das Fräulein sich jene vorgebeugte, ein wenig wie erschöpft aussehende, in der Tat aber ungemein kräftesparende Haltung angewöhnt. Diese zeichnete auch den Westmann aus, ob sie das wußte? Mit ihr und Halef, der sowieso ein geborener Reiter war, über die Ebene zu fliegen war ein Vergnügen, wann immer wir uns einen Galopp erlauben durften. Mir lag daran, weiter dem Verlaufe des Bitter Creek zu folgen, wenn auch zunächst in gehörigem Abstand zu seinen Ufern, und zur Nacht hin erreichten wir dessen Einmündung in den Green River. Im letzten Licht forschte ich und fand eine Stelle, an der sich der Fluß
in die Landschaft abgezweigt und eine Art Überflußbecken geschaffen hatte. Trotz dessen unbewegt wirkenden Wassers bemerkte ich, daß es über regen Zu- und Abfluß verfügte. Im Verbund mit seinen dichten Reihen hoch und niedrig gewachsener Laubbäume schien mir dieser Platz das geeignete Versteck zu sein, um dort die Rückkehr Winnetous und der anderen zu erwarten. Wir würden uns beraten müssen. Nun, da wir mit den beiden Gesuchten vereint waren, hatten wir keinen Grund mehr, weiter nach jenem Fort zu streben. Selbst wenn wir es erreichten, was wäre dadurch gewonnen gewesen? Almas Vater, den Gegenstand von Kilmers und Hayes’ Lüge, würden wir dort bestimmt nicht treffen, und wir wollten uns ja auch nicht an einem Platze festkrallen. Nein, so schnell wie möglich mußten wir zu Washburn stoßen, falls er nicht, wie zu befürchten stand, bereits vor Tagen überfallen worden war – warum hatten sich keinerlei Spuren gefunden?
Uns blieb nur, unseren Weg schnellstmöglich fortzusetzen, wie geplant nach dem Ocean Lake zu
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