Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
und nahm das Behältnis hochkant in die Rechte. Sodann ballte er die Linke zur Faust, auf deren Oberseite er zwei ansehnliche Häufchen zurechtklopfte. Über das eine hielt er seinen Riecher und sog die gesamte Menge mit einem Zuge und ohne jede Regung ein. Das andere Häufchen hielt er Halef unter die Nase.
»Schmalzler«, sagte er knapp zur Erklärung.
Halef verstand dieses Wort nicht, wohl aber die Aufforderung, die damit verbunden war. Also folgte er dem Beispiele des Bayern und inhalierte gleichfalls das schwarze Kraut. Aber dann! Eine orientalisch-dröhnende Kanonade barst aus seinem Zinken, der ein ganz und gar wehrhaftes Niesen und Schneuzen folgte, und endlich bog und krümmte sich Halef wie bei einem Schlangenbiß.
»Tausend Teufel, man meuchelt mich!«
»Hilf dir Gott, daß ’s wahr ist!« lachte Hirtreiter nur.
Ich aber lachte nicht, verstand ich doch plötzlich, was Herr Pfäffle mit seiner Bemerkung gemeint hatte, der Name und die Sprache des Mexikaners habe den Lautäußerungen einer Erkältung geglichen. Ich »Säckel« – das vielmalige Hatschi während eines Schnupfens, nichts anderes hatte der Wirt gemeint! Dieses Geräusch war es, das Halefs Titel als Hadschi glich. In tausend Richtungen hatte ich gedacht, nur nicht in die naheliegendste!
»Tiefste aller Höllen, schlimmster aller Teufel«, keuchte Halef immer noch. Gern hätte er wohl geschrieen, aber unter dem Eindruck des kernigen Krauts war er dazu nicht in der Lage.
Letztlich erwies sich Hirtreiter als klug und auch feinfühlig genug, seinen neuen Freund nicht zusätzlich zu beschämen. Er hatte seinen Spaß gehabt. Nun klopfte er Halef tröstend den Rücken. Dennoch fragte er, als er die Schnupftabaksdose weggesteckt und Halef sich einigermaßen erholt hatte:
»Ist etwa mein Tabak zu stark?«
»Wie nennst du deinen Knaster – Tabak? Der Scheitan mag seine Freude daran haben, aber kein Rechtgläubiger! Frage nur meinen Sihdi, welch erlesene Blätter der Allmächtige in meiner Heimat wachsen läßt. Wann immer wir zusammen die Wüste durchstreifen, über die Felsen eines Gebirges steigen oder unsere Füße in den Tümpel einer Oase senken, wir rauchen und schmauchen, daß es eine Freude ist, aber wir niesen nicht! Erheben soll der Tabak den Menschen, nicht ihn erniedrigen; nur so hat er Genuß daran und erhält eine Ahnung auf die Freuden der Sieben Himmel. Laß uns dennoch Freunde werden, Effendi Hirtreiter. Aber versprich mir, nie wieder in meiner Gegenwart diesen Dschinn 65 her vorzuholen!«
Diese Septembernacht unter dem nordamerikanischen Himmel wurde so kalt wie in der nordafrikanischen Wüste. Für Fräulein Alma bereitete ich aus mehreren Lagen Blättern und dünnen Zweigen eine schützende Schlafstelle, abseits genug von den Pferden, die wir, möglicher Feinde wegen, zwar anbanden, aber gesattelt ließen. Wir anderen schlugen uns in unsere Pferdedecken und lagerten uns nach Belieben.
Trotz der Anstrengungen war für manchen unter uns nicht an Schlafen zu denken. Ich etwa hatte die erste Wache übernommen, und Halef durfte ich nicht abschlagen, sich neben mich zu setzen. Über unser Wiedersehen in diesem ihm so fremden Land war er immer noch hochgestimmt, und ich empfand genauso. Durchströmt von unseren Empfindungen und Erinnerungen, lehnten wir Schulter an Schulter und richteten die Augen hinauf zum Sternenzelt. Noch ein wenig höher wohnte unser beider Schöpfer, den Halef Allah nannte und ich Gott. Was uns auf jeden Fall verband, war unser Flüstern.
»Sihdi«, machte Halef sich verbindlich. »Sihdi, hast du schon einmal geliebt?«
»O ja«, gab ich zu dieser doch sehr direkten Frage zurück. »Nur weil ich mich zumeist in der Wildnis aufhalte, ist mir das vornehmste Gefühl des Menschen nicht fremd.«
Ich tat, als ob ich in mein Schweigen zurückfallen wollte, denn ich ahnte, was Halef mit dieser Frage bezweckte.
»Wenn die Liebe dir nicht fremd ist, Sihdi, so beschreibe mir einmal, wofür oder für wen du dein Herz zu öffnen bereit wärst. Denke aber nicht, daß ich neugierig sei; ich frage nur, um dich auf ein Geschenk einzustimmen, das ich dir zu machen gedenke, das Geschenk eines wahren Freundes. Darum sage, wie du es mit der Liebe hältst, ich muß es wissen!«
»Nun«, zögerte ich ein wenig. »Nimm etwa Rih oder hierzulande Hatatitla, die beiden klügsten und treuesten Hengste, die es nur geben kann. Sie etwa liebe ich sehr.«
»Nein, Sihdi, so meine ich es nicht. Gewiß gehört dein Hoffen und
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