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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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hören – und doch freut es mich. Denn diese Verwirrung deiner Sinne kann nur einen einzigen Grund haben: Du liebst! Und ja, du wirst wiedergeliebt! Allah überschüttet dich mit dem größten Reichtum, den ein Mann sich nur ersehnen kann: Sihdi, du wirst einer Frau angehören, und diese Frau hast du dort drüben selbst gebettet!«
    Wie zuletzt in Herrn Pfäffles Boarding House, als Milton Hayes durch die Scheibe und ich sozusagen in mein eigenes Gesicht geblickt hatte, war ich sprachlos. Ich, der Prärien, Wüsten, Savannen, Wälder und Dschungel durchmessen und Berge und Ozeane überquert hatte; ich, den man in Nordafrika als Kara Ben Nemsi kannte und hierzulande als Old Shatterhand; ich, der in so vielen Lebenslagen von Feinden bedroht und in Fesseln geschlagen worden
war; ich, der ich mit einigem Recht sagen darf, mich nicht mit geringem Maß an Gewitztheit unter Menschen jeglicher Farben und Herkunft zu bewegen – in jener Nacht saß ich, Old Shatterhand, auf einem Flecken im Wyoming-Territorium, neben mir Halef, dessen vor Spannung glühendes Gesicht sich wie ein Holzschnitt gegen den Feuerschein abhob, saß und wußte nichts zu sagen. Halef nämlich, ganz in seiner Lieblingsrolle des Lehrers, welcher seinem allzu begriffsstutzigen Schüler mit Aufmunterung entgegenblickte, Halef hatte einen Dreisprung gewagt: Westmann – Wüstengänger – Junggeselle! Zur Missionierung in Glaubensdingen hatte er noch Herzensangelegenheiten gepackt – und mich buchstäblich entwaffnet!
    Scheinheilig beteuerte er, mir noch von angeblich wichtigen Dingen von seinem letzten Streifzuge durch die algerische Sahara berichten zu müssen, Unaufschiebbares, Lebensnotwendiges, aber ich winkte ab. Es war spät, er solle ausruhen, und ich würde wachen, damit gab er sich zufrieden. Zärtlich drückte er mir einen Schmatz auf die eine und auf die andere Wange, so daß meine Nase von seinem Schnurrbarte gekitzelt wurde wie zuvor die seine von Hirtreiters Schmalzler. Dann verließ Halef mich und ging zu seinem Pferd. Dieses war ein Araber, natürlich, und »aus dem Südwinde geschaffen«, wie der Koran schwärmt, ein feuriger schwarzer Hengst. In dessen Nähe ließ er sich nieder, zog die Decke über den Kopf und tat, was mir nicht vergönnt war: Er schlief sogleich ein.
    Nachdem es still geworden war, verfiel ich in jenes Dösen, das dem Westmann eigen ist. Man schläft dabei nicht, ist vielmehr wach und konzentriert, wie man es sich vorgenommen hat. Zugleich ist man ganz in sich zurückgezogen, in seiner Aufgabe von keinem Reize abgelenkt. Der Körper wird mit den Stunden natürlich steif, weil alle Sinne des Schlafwachenden auf die Umgebung ausgerichtet sind.
    Alle Sinne, das umfaßt auch die Augen. Diese reißt man während des Wachens aber nicht etwa auf, was in der Dunkelheit fatal
wäre. Nicht nur würde man da seine Sehorgane unnötig ermüden, man böte auch ein hervorragendes Ziel. Daß scharf spähende Augen im Dunkeln leuchten, beinahe phosphoreszieren, weiß ein jeder. Um von keinem möglichen Feinde als hellwach erkannt zu werden, hielt ich zwar den Kopf gesenkt, doch verdeckte ich meine Lider mit meinem Hute. Unter dessen Krempe hervorlugend, war es mir möglich, das wenige Meter gegenüberliegende Blattwerk der Bäume und Sträucher genau zu inspizieren.
    Warum ich das gerade in dieser Nacht so eifrig tat?
    Ich weiß es nicht – Eingebung, Instinkt.
    Daß diese meine Vorsicht berechtigt war, zeigte sich bald. Es mochte um die zweite Stunde nach Mitternacht sein, kurz vor meiner Ablösung mit Winnetou, als ich auf ein winziges Glimmen aufmerksam wurde. Da, noch einmal blitzte es im Gebüsch, ein drittes Mal! Dann war es dort wieder dunkel.
    Ich brauchte nicht zu überlegen, ich wußte, was dieses Glimmen war: die Augen eines Menschen, der sich zwar unhörbar, jedenfalls nach indianischer Art, zwischen Ästen und Blättern verborgen hatte, aber zugunsten seiner Unhörbarkeit eine andere Vorsichtsmaßnahme vernachlässigt hatte: Für einen Augenblick, für zwei, sogar drei hatte er mich fixiert – das Lager wurde beschlichen!
    Wer jetzt denkt, ich wäre aufgesprungen, hätte meine Gefährten rufend geweckt oder gar um mich geschossen, der irrt sich sehr. Laut zu werden oder mich alarmiert zu zeigen wäre ja das Verkehrteste überhaupt gewesen. Zum einen konnte ich nicht wissen, ob jenes Augenpaar Freund oder Feind gehörte; erstere konnten in der Wildnis durchaus Anlaß haben, sich erst einmal nicht zu zeigen. Zum

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