Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Sehnen dem Wohlergehen deiner Tiere, wertvoll genug sind sie. Ich aber spreche davon, ob du schon einmal einem Weibe dein Herz geschenkt hast, heiße sie Ghada, Rabia, Shazadi oder Lubna, oder Dschamila, Hawwa, Khalisa, vielleicht auch Wahida oder sogar Aischa, wie die Tochter Abu Bakrs, die am engsten an den Propheten gebundene Frau. Denn bedenke, Sihdi, obwohl wir uns in diesem durch und durch ungläubigen Amerika aufhalten, lehnst du dich an einen Mann, der dir als Mekkapilger weit voraus ist! Mit meiner Hanneh, du kennst sie, habe ich die Zierde der Frauen zum Weibe gewonnen. Weil ich dein Freund bin, der beste von allen, gönne ich dir die Wonne eines solchen Glücks im gleichen Maße.«
»Halef«, sagte ich mit einem Lächeln in der Stimme, das ihm aber nicht aufzufallen schien. »Ich spüre allzusehr, worauf deine Frage abzielt. Denkst du, ich hätte nicht bemerkt, wie unruhig dein Blick geworden ist, als ich das Mädchen zum ersten Male sah? Ich verstehe nun, was dich bedrückt, doch sei getrost: Der Koran gestattet dir die Freuden vieler Frauen!«
»O Sihdi«, seufzte Halef wie unter einer schweren Last. »Du täuschst dich sehr in mir! Nicht die, von der du sprichst, erregt meine Aufmerksamkeit. Du bist es, du ganz allein, an den ich bei ihrem Anblick denken muß.«
»Wie, Halef, du siehst eine Frau und denkst an mich? «
»Ja, Sihdi, das tue ich. Denn ich muß dir sagen, du dauerst mich. Seit Jahren schon durchquerst du die Weiten dieses Landes Amerika. Bist du nicht hier, so weilst du in deiner Heimat oder kehrst zurück in mein Land, in seine Wüsten, seine Täler, seine Gebirge. Oder du fährst über die Meere und besuchst Länder, deren Namen niemand interessiert, weil sie nicht im Koran verzeichnet stehen. Doch wann immer wir zusammen sind, bringst du mein Herz zum Jubeln. Wohin aber gehst du, wenn ich zu meinen Haddedihn zurückkehre, in mein Zelt, welches mir Hanneh mit ihrer Anmut, ihrer Liebe und ihrer Herzlichkeit schmückt? Darum geht es mir: Wie einsam mußt du dich fühlen, wenn du nach mir auch Winnetou entbehren mußt, sobald du dich nach deiner Heimat wendest. Kommt dich nicht manchmal der Gedanke an, du seist ganz allein auf der Welt? Denkst du, der Allmächtige sähe es mit Wohlgefallen, daß du der herrlichsten aller Freuden, die er zu geben weiß, entsagst, du, im besten Mannesalter? Sihdi, liebe und heirate endlich! Errichte dir ein Zelt für deine Trophäen, deine Waffen, deinen Besitz. Binde vor diesem Zelt deine Pferde an, gleich neben dem Brennholz, welches nie ausgehen möge, und gleich daneben baue eine Hütte mit einem Vorrat an Ziegen- oder Hammelfleisch, welches dir ebenfalls nie mangeln soll. Tue also, was ein jeder Mann tun soll: Führe das Weib, das du dir erkoren, in dein Zelt und lebe mit ihm glücklich und gerecht, dem Barmherzigen zur Freude und zum Wohlgefallen, auf daß du alt werdest und zufrieden seist im Glanz der Herrlichkeit, die allein Allah den Seinen zu schenken weiß!«
Ich vernahm diese Worte und erkannte, daß selbst der Wilde Westen nicht weit genug entfernt war, als daß Halef ihn mit seinem Missionarsdrang nicht hatte erreichen können. Dennoch tat
ich, um den lieben Kerl nicht vor den Kopf zu stoßen, als wäre ich für seine Segenswünsche überaus dankbar, und sagte:
»Jeden deiner Ratschläge will ich zu beherzigen versuchen. Aber glaube mir, zwischen meinem und deinem Dasein gibt es einen großen Unterschied: Du hast deine Hanneh bereits gefunden, mir ist die meine noch nicht einmal begegnet. Darum denke ich nicht ans Heiraten und bleibe weiterhin dein Sihdi!«
Daraufhin sah Halef mich beschwörend an:
»Sihdi, öffne deine Augen! Ich will dir zeigen, von wem ich spreche, weil du an deinem Glücke sonst vorbeigehst: Schön ist die, die ich meine, schön und dabei klug, und ein starkes Herz hat sie, und furchtlos ist sie, und ganz in deiner Nähe ist ihr Aufenthalt, und es ist sicher, in dieser Nacht bebt ihr Herz nach dir. Wie kannst du da sagen, ein liebendes Herz sei dir noch nicht begegnet! Du willst dir nur nicht eingestehen, daß deine Augen zu glühen beginnen, wann immer sie auf der Gestalt der Schönen zu ruhen kommen; du leugnest, daß du ein anderer geworden bist als der, den ich kannte, seit nämlich sie sich in deiner Nähe befindet, und du willst mich, deinen einzigen Halef, glauben machen, du lebtest wie zuvor, als dieser Engel des Siebenten Himmels noch nicht in dein Leben getreten war? Effendi, das mag ich gar nicht
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