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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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würde.
    Hayes’ Augen leuchteten vor Genugtuung. Mir erschien er in diesem Moment wie ein Geschäftsmann, der just Kunde vom Ruin
eines Konkurrenten erhalten hat. Mit hungrig mahlenden Kiefern weidete er sich an der Vorstellung meines baldigen, qualvollen Todes. Es war aber keineswegs schon ausgemacht, daß der Rat der Ältesten seiner Forderung, mich mit Martern zu verwöhnen, folgen würde. Bei den Bedächtigeren unter ihnen zählte ich auf die Wirkung meines Rufes als Indianerfreund. Auch spekulierte ich, daß man, wie in solchen Fällen üblich, auf die Idee eines Zweikampfes verfallen würde. Gelang es mir, die Beratungen in diesem Sinne zu beeinflussen, brauchte mir um unser aller Leben nicht bang zu sein. Mit Hilfe meiner geübten Fäuste und Füße wollte ich den roten Herrschaften schon eine Lektion erteilen.
    Unbewegten Gesichts blickte Donnerwolke mich an. »Old Shatterhand hat lange genug gewartet. Er folge mir, um vor den Alten zu sprechen.«
    Durch die Öffnung der Zeltplane konnte ich sehen, daß die Indianer, obgleich es erst dämmerte, bereits zahlreiche Feuer entzündet hatten. Dies bedeutete, daß man Fleisch zubereiten und sich die Bäuche vollstopfen würde, um für eine lange Nacht gerüstet zu sein, nämlich für den nicht unwahrscheinlichen Fall, daß die Beratung gegen mich ausfiel und man uns allesamt sofort an die Pfähle stellte.
    Für mich war das kein Grund, den Kopf hängen zu lassen.
    »Ja, Donnerwolke«, sagte ich. »Ich bin mit allem einverstanden. Führe mich nur rasch zu den Feuern. Je höher sie brennen, desto deutlicher können deine Krieger sehen, wie gefährlich ich ihnen immer noch bin.«
    »Old Shatterhand irrt. Den Kriegern der Schlangen ist er nicht mehr gefährlich. Seine Waffen schmücken meinen Tipi, er wird sie nie wiedersehen. Sein Pferd werde ich züchtigen, bis es gehorcht, und seine Hände sind ihm gefesselt wie seine Füße, kaum einen Schritt vermag er zu gehen.«
    »Eben davon spreche ich, Donnerwolke. Möge dein Volk, vom Kinde bis zum Greise, nur sehen, für wie gefährlich du mich immer noch hältst. Ein Stamm, bei dem die Zuversicht wohnt,
wird wohl darauf achten, daß ihm kein Gefangener zu entfliehen vermag. Aber wird man denselben binden, daß er kaum noch stehen kann? Wird man ihn erniedrigen, weil man selbst zu schwach ist? Feiglinge handeln so, aber keine Krieger!«
    Dieser nicht ungefährliche Appell an das Ehrgefühl des Häuptlings ließ denselben, als seine äußerste sichtbare Regung, kurz aufschnauben. Unschlüssig blickte er auf Hayes, der sein Verbündeter war und gegen den er Rücksicht zu üben hatte, dann auf mich, seinen wertvollsten Gefangenen. Es war klar, daß niemand anderes als Ma-ta-weh es gewesen war, der sich für meine übertrieben starke Fesselung ausgesprochen hatte.
    Ein letzter prüfender Blick auf meine Bande, ein letztes Zögern – Donnerwolke hob eine Augenbraue.
    Im nächsten Moment griff Hayes unter sein Jackett, es blitzte in seiner Rechten: das Bärenmesser! Ohne mir ins Gesicht zu sehen, schob er die Klinge unter meine Stricke. Mit einem widerwilligen Ruck zerschnitt er sie: Ich war wieder frei!
    Ja, ich war wieder frei. Nun konnte alles geschehen. Einem entschlossenen Manne, selbst wenn er unbewaffnet und von Feinden umringt ist, stehen immer noch seine körperlichen und geistigen Kräfte zur Verfügung. Er muß sie nur nutzen und auf sich selbst vertrauen – und auf Gott.
    So folgte ich Hayes und Donnerwolke ins Freie, an das größte der in den Abendhimmel hinaufleuchtenden Feuer. Unter den Augen der versammelten Roten sollte ich erfahren, was man weiter mit uns vorhatte. – – – –

FÜNFTES KAPITEL
Old Faithful
    Wo war Winnetou?
    Von Donnerwolke und Hayes zu dem Beratungsplatze geführt, quer durch das Indianerdorf, blieb mir Zeit, einige Überlegungen anzustellen.
    Winnetou – jeder an meiner Stelle wäre wohl geneigt gewesen, Sorge über sein Ausbleiben zu entwickeln. Das tat ich aber nicht, denn ich wußte, daß ich mich auf keinen Menschen so sehr verlassen konnte wie auf ihn. Doch ich brütete, wie er es anfangen könnte, uns zu Hilfe zu kommen.
    Dieses Wörtchen »uns« war ja kein kleiner Stolperstein. Es konnte für Winnetou nicht einfach darum gehen, mich und sogar die Gefährten sowie das Mädchen zu befreien, ganz zu schweigen von den Mitgliedern der Washburn-Expedition. Es war zu vermuten, daß in diesem Falle die Schoschonen sich schadlos an diesen zwei Dutzend Männern halten würden.

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