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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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diesen Konflikten würde Möglichkeit Nummer zwei begegnen. Wir mußten die restliche Zeit des Tages sogleich nutzen, um zu dem Mädchen zu gelangen. Weil wieder Regen fiel, hoffte ich auf weitere Unlust bei den Wachposten. Sie würden weiter lediglich Ausschau nach der Reiterschar halten, die sich nur im Schneckentempo bewegen konnte. Erst wenn sie ein sicheres Ziel darstellte, würde man sie unter Feuer nehmen. Am allerwenigsten, hoffte ich, würde man inzwischen auf die Felswände unterhalb achten, denn noch war unsere Anwesenheit nicht entdeckt worden. Ich konnte einfach an nichts anderes mehr denken als daran, Alma zu retten.
    Wir traten an den Fels heran und examinierten ihn genau. Er war kalt und naß, und wenn ich Fels sage, so hat man sich dabei nichts weniger als einen bequemen Brocken vorzustellen, auf den man nur einen Stiefel zu setzen und sich mit etwas Schwung nach oben zu ziehen brauchte. Nein, dieses Gestein war, wie Alpinisten sagen, ein richtiger Kamin, ein Spalt in einem mindestens einhundertundfünfzig Fuß hoch aufragenden Gebirgsstück. Wie Reißzähne eines Gebirgsungeheuers umgaben uns solche Kamine dutzendweise, doch diesen einen mußte ich bezwingen.

    Hatten wir vor Stunden noch Freude über den schönsten Sonnenschein empfunden, so war diese Freude jetzt dahin. Grau war der Himmel geworden, fast dunkel, der unstete Regen immer dichter. Immer wieder schneite es sogar, wenngleich die Flocken sich nicht recht zu sammeln wußten, da es trotz allem noch nicht kalt genug war.
    Dieser Umstand sowie die Sorge um Alma ließen mich auch die letzten Bedenken hintanstellen. Wollte ich ihr schnell zu Hilfe eilen, mußte es auf diesem Wege geschehen. Nie werde ich Winnetous Blick vergessen, als er mich den ersten Fuß an den Stein setzen sah. Jederzeit wäre er an meiner Stelle emporgeklettert, aber er wußte zu gut, daß es für mich um mehr ging als darum, Alma zu befreien: Ich wollte Hayes im Zweikampf besiegen. Was ich deshalb unternahm, war meiner Ungeduld zuzuschreiben, doch dachte ich in diesem Moment gar nicht über meine Beweggründe nach.
    »Sieht mein Bruder Scharlih die Narben des großen Steins? Dort könnte er gehen, er muß nicht klettern.«
    Winnetou traf seine Feststellung im Tone einer Frage, so sehr hatte er Zweifel an der Sinnhaftigkeit meines Beginnens. Ich tat ihm den Gefallen und setzte den probehalber angesetzten Fuß wieder ab, besah mir das Gebirgsstück, welches er meinte, und studierte auch dessen Höhe und Breite. Winnetou hatte ein paar zierlich wirkende Einkerbungen ausgemacht, die aus der Entfernung steinernen Narben glichen, in Wirklichkeit aber Kuhlen waren, von den Wettern der Zeiten wie Stege eingegraben. Darin beziehungsweise darauf würde man, wiederum nur gebückt und mit viel Vorsicht, sicherer ans Ziel gelangen als über die Felswand; die »Narben« schlängelten sich serpentinenweise nach oben und ließen sogar das Mitführen der Pferde zu. Allerdings würde man auf diese Weise einen erheblich längeren Weg zurückzulegen haben, und ich wollte doch nicht säumen.
    Ich blieb darum bei meiner Entscheidung, versprach Winnetou aber, alles zu befolgen, was er mich einst über das Klettern gelehrt hatte: So leicht wie möglich muß der Steigende sich machen, eigentlich
soll er nicht einmal Kleidung tragen, vielmehr sogar barfuß klettern. Nur so ist die engstmögliche Verbindung mit dem Fels denkbar. Doch dies war hier, auf Grund der widrigen Temperaturen, nicht möglich. Immerhin legte ich meinen schweren Gürtel mit all den Gegenständen eines Westmanns ab, dazu die beiden Revolver. Lediglich das Messer behielt ich bei mir. Auch auf den Henrystutzen wollte ich nicht verzichten. Ihn lud ich durch und hängte ihn mir auf den Rücken, den Riemen festgezogen. Im Nahkampf durfte ich darauf hoffen, Hayes niederzuringen, sollte er aber zu fliehen versuchen oder Verstärkung erhalten, würde es ohne Schüsse kaum abgehen. Allein mein Hut bedeutete kein großes Gewicht und hätte mir Schutz gegen die Nässe geboten, und dennoch blieb er zurück: Beim Emporblicken konnte seine Krempe mich behindern, und in den Nacken geschoben, war er mir keine Hilfe.
    Dann war es soweit.
    Schnell verabschiedete ich mich von Halef und Hirtreiter. Sie sollten zurück in den Tunnel und anschließend den Paß hinabreiten und sich wie Luchsauge, dessen Mustang sie ihm mitbringen würden, mit der Expedition vereinigen. Wenn Washburn uns mit etwa zehn seiner besten Reiter unverzüglich folgte,

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