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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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ergab sich gegen Kilmers Truppe ein ganz passables Zahlenverhältnis. Uns allen würde Winnetou vorausreiten, meinen Hatatitla mitführend. Gegen diesen Plan gab es nichts zu sagen, weil niemand mit einer besseren Idee dagegenhielt.
    Also zogen die Kameraden ab. Bei aller Fiebrigkeit versäumte ich es nicht, Winnetou noch einmal zu umarmen. Ein einziger Fehltritt konnte mich ins Jenseits schicken und uns ein Wiedersehen unmöglich machen. Auch der Apache herzte mich. Dann wandte er sich ab, nahm meine Waffen und Habseligkeiten auf und ging zu den Pferden.
    Unverzüglich warf ich mich an den Felsen. Für den Aufstieg rechnete ich mit einer halben Stunde; Winnetou würde für den Weg um den Berg herum eine Stunde oder länger benötigen. Natürlich wußte ich nicht, welche Situation ich auf dem Hochplateau
zu gewärtigen hatte, aber ich hatte nun einmal eine Entscheidung getroffen, und so begann ich mit dem Klettern.
    Ohne Seil und ohne Sicherung, ohne Pickel und Haken schob ich mich empor. Anfangs gewann ich schnell an Höhe. Dies machte mich nicht etwa übermütig; zu gut wußte ich, daß mir von dem Sockel, von welchem aus ich meinen gefährlichen Weg begonnen hatte, die ersten Meter der Strecke geschenkt wurden.
    Bald fühlten meine klammen Fingerspitzen auch nicht mehr glattes, sondern grob gezacktes Gestein – der unterste Rand der Felsspalte war erreicht. Mit einem Ruck zog ich mich hoch und ließ mich, den Schwung der Bewegung ausnutzend, einfach in die erste Aussparung fallen. Zu meinem Erstaunen war diese in ihrem Inneren durchweg grasbewachsen, und zwar derart dicht, daß man fast von einem riesigen, weichen Bette sprechen konnte. Betörend roch es nach Kräutern, die in dieser Höhe noch Sonne und Feuchtigkeit genug fanden. Ich sah nach unten – die Freunde waren nicht mehr zu sehen. Ich gebe zu, mich bezüglich der Dimensionen ein wenig verschätzt zu haben. Nicht nur war mir diese erste Etappe schwerer gefallen als gedacht; von nun an mußte ich versetzt klettern, weil der Riß, der nach oben führte, ziemlich breit war. Das wiederum erforderte fast artistisches Geschick, doch scheue ich mich nicht einzuräumen, daß die meisten meiner Stärken auf anderen Gebieten liegen. Wie auch immer, Zögerlichkeit war keine meiner Schwächen, also machte ich mich wieder auf und nahm das nächste Stück in Angriff.
    Von jetzt an verzichtete ich auf weitere Blicke nach unten. Wem die Kletterei fremd ist, der tut gut daran, seinen Gleichgewichtssinn nicht allzusehr auf die Probe zu stellen. Nur noch wenige und sehr kurze Atempausen erlaubte ich mir, dies auch nur, um meinen Fingern ein Aufwärmen unter den Achseln zu gönnen. Tunlichst in einem Zuge wollte ich die letzte Distanz überwinden. Längst drückte mir der Henrystutzen wie eine Zentnerlast in den Rücken, und so manches Mal wollten meine Stiefelspitzen sich nicht in die Kerbungen des Millionen Jahre alten
Felsens finden. Mit tausend Nadeln fuhr der Wind mir in die ungeschützten Gehörgänge, und als ob der Torturen nicht genug gewesen wären, verwandelten sich die harmlosen Schneeflocken zurück in Striemen kalten Regens.
    Dessen ungeachtet, stieg ich hinan. All mein Fühlen drängte zu einer Entscheidung; Schmerz und Erregung erduldend, war ich meinem Ziele auf höchstens noch drei Körperlängen nahe gekommen.
    Da hörte ich über mir eine allzu bekannte Stimme – die von Milton Hayes. Statt englisch sprach er hochdeutsch. Konnte ich ihn auch nicht sehen, so stand er doch nahe genug an dem Abgrunde, daß ich seine Worte mühelos vernehmen konnte. Sofern er nicht auf die Idee verfiel, sich unvermittelt umzudrehen und den unter ihm klaffenden Fels abzusuchen, konnte ich bis auf weiteres unentdeckt bleiben. Gerade sagte er:
    »Kilmer, fürchtest du dich etwa vor der Höhe?«
    Schon wieder diese beiden! Bereits zum dritten Male war es mir vergönnt, die Schurken zu belauschen; ein viertes Mal sollte es nicht geben müssen. Ich hörte Kilmer, der seinen Herrn neuerdings duzen durfte, antworten:
    »Du weißt, daß ich im Flachland geboren bin. In Hamburg schätzen wir Höhen nicht.«
    »Ha«, lachte Hayes. »Wenn du die Stadt wiedersiehst, wird sie zu dir aufblicken, denn du kehrst als wohlhabender Mann zurück. Denkst du nicht, daß es an der Zeit ist, mir das Papier, das in deiner Brusttasche steckt, zurückzugeben? In Kürze sind wir bei den Geysiren, dann ist das Nötigste getan.«
    »Ach, du forderst deinen Preis schon jetzt? Hayes, wir haben

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