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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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Unnötigkeiten eines ganzen Basars behängt. Nichts hatte er zurücklassen wollen; in seiner Schärpe steckten die beiden Revolver, auf dem Rücken trug er, unverzichtbar beim Steigen, seinen Seggadeh, den wiedererlangten Gebetsteppich. Als einziges Zugeständnis an die Notwendigkeiten hatte er seinen raumgreifenden grünen Turban zurückgelassen, so daß wir beide ohne unsere gewohnte Kopfbedeckung, also barhäuptig waren. Daß der kleine Kerl es überhaupt heraufgeschafft hatte, erschien mir als ein Wunder, für das allenfalls der Prophet eine Erklärung hatte.
    Da durchzuckte mich jäh eine Angst: Halef war im Begriff, Kraft und Halt zu verlieren! Die vertrauten Lippen, die sich aufgeregt, aber stumm bewegten, hauchten mir Beschwörungsworte zu, eine ganze Suada.
    »Halef!« wollte ich rufen, den lieben Namen hinausschreien, denn niemals hätte ich ihm Vorwürfe gemacht, aber natürlich beherrschte ich mich.
    Halef, halte aus, ich komme dir zu Hilfe, ich lasse dich nicht
fallen – ich konnte es nur denken, er mußte es erraten. Und er tat es, indem er meine Lippen sich gleichfalls bewegen sah. In seinen Augen glomm Dankbarkeit, unendliche Dankbarkeit.
    Es gibt Momente, die uns Stunden dünken und doch nur Sekunden dauern. Dies war ein solcher Moment. Ich mußte handeln und wußte nicht, wie; ich wollte sprechen und durfte es nicht; ich wollte mich bewegen und konnte es kaum. Jeden Augenblick konnte Kilmer zurückkehren und Hayes das Mädchen zuführen. Dieser stand gewiß noch an dem Felssaume. Ein unvermitteltes Geräusch, und er mußte auf uns aufmerksam werden, also still, still!
    Halefs Blick griff mir ans Herz, denn dieser, ich sage es nicht gern, glich dem eines waidwund geschossenen Tieres. Durch meinen Stiefel hindurch spürte ich die verzweifelte Klaue, nur die andere war noch in ein Felsstück gekrallt. Was, wenn Halef fiel, wenn er hinabstürzte – würde er sich, im Tode begriffen, beherrschen können und nicht schreien? Nur so konnte doch verhindert werden, daß Hayes uns bemerkte und unser beider Tod besiegelte. Es war schrecklich – was tun, wie handeln?
    Sollte sich unter meinen Lesern jemand befinden, der selbst schon einmal in vergleichbarer Gefahr schwebte, so wird er nachfühlen können, was damals in mir vorging. Und er wird vielleicht ein seltenes Wissen mit mir teilen, welches zu erwerben ich niemand wünsche: Man mag in seiner Verzweiflung noch so ratlos sein, auf einmal weiß man doch, was zu tun ist. Was genau ich dachte, was im einzelnen ich vorhatte? Nichts dachte ich, nur wahnsinnig war ich! Auf einmal erschien alles so einfach: Halef zu mir heraufziehen war unmöglich, zu ihm hinabsteigen genauso; er hielt sich ja zur Hälfte an mir fest. Aber bevor er fiel, konnten wir doch beide springen und unser Leben in einem bewußten, mit einem Ziele berechneten Falle zu retten versuchen – – –
    Zuvor, in der Felsspalte, waren mir jene üppigen Grassoden aufgefallen, selbst durch den Regen blinkten sie einladend zu uns herauf. Abstoßen mußten wir uns von der Felswand, vielmehr ich
mußte das tun, und Halef mußte einfach mit! Sodann hatten wir gemeinsam zwanzig, fünfundzwanzig Meter tief zu stürzen, in der leisen Hoffnung, von ebenjenem Grasbette weich und sicher aufgefangen zu werden, natürlich ohne auch nur einen einzigen Laut von uns zu geben.
    Reden durfte ich nicht, also verlegte ich mich auf Zeichen. Aus mehr als ein wenig Kopfschütteln bestanden diese aber nicht; Halef würde verstehen oder eben nicht. Und dann, was soll ich sagen – ich sprang, nein, wir sprangen!
    Entsetzlich war der Moment des freien Falls. Zielten wir vorbei, war es mit uns zu Ende; zielten wir zu knapp, würde das schroffe Gestein uns zerfetzen.
    Aber es ging alles gut!
    Mit unseren Körpern hatte ich nur so ungefähr peilen können wie weiland im Boarding House auf Kilmers Heckenschützen. Statt, wie damals, dreimal zu treffen, genügte hier gewissermaßen ein Doppelschuß, ja selbst der Henrystutzen tat mir den Gefallen, mir oder Halef nicht alle Knochen zu zerschmettern. Der Sachse und der Beduine waren hinabgesaust und glücklich gelandet. Den einen beschützte sein Herrgott, den anderen Allah, der Erbarmer und Barmherzige. Beide Himmelsmächte fügten es, daß sich keinem von uns ein Schrei entrang; sogar die Aufprallgeräusche, die doch kaum zu vermeiden waren, dämpfte das weiche, wundersame Gras bis zur Unhörbarkeit.
    Wir lebten!
    Ich drehte, wand und reckte mich. Ich suchte und fand

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