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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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Geflüster verstummt war, beugte Halef sich wichtig über seinen Patienten. Hände und Finger hielt er weit ausgestreckt, wie um zu zeigen: Seht her, kein Messer. Die Behandlung konnte beginnen.
    »Namenloser!« schrie Halef, daß alles zusammenfuhr. »Namenloser, wünschest du, daß ich dich, vermöge der Heilkunst meines Sihdi, kuriere? Ist es dein Wunsch, auf Erden weiterzuleben und deine Schmerzen dahinzugeben, oder soll ich dich liegenlassen und dir einen letzten Trost aus dem Koran lesen, damit du nicht ohne die Worte des Barmherzigen verstirbst, wenn du zu ihm auffährst, in alle seine Himmel – du antwortest nicht? So mag die Sure der Auferstehung dich trösten. In ihr steht geschrieben: Wenn die Augen vor lauter Licht geblendet sind, der Mond sich verfinstert und Sonne und Mond miteinander vereinigt werden  – – – «
    Bei diesen Versen nun regte sich allerdings Leben in dem Verwundeten.

    »Nein, o Hakim, nein! Nicht die ewigen Worte, noch nicht! Ich bitte dich, ich flehe zu dir, tue deine Pflicht, heile mich! Wirklich habe ich ein Zelt, wie du sagst, und wirklich erwarten dort Frau und Kinder meine Rückkehr. Wenn du nur irgend kannst, so hilf mir!«
    Halef, berührt von der Einfalt seines Patienten, stellte sich ein wenig zögerlich, nachdenklich, als verlangte man von ihm eine allerhöchste Gunst, die ein Mann seiner Stellung nicht einem jeden gewährte. Doch die Gesamtheit der Umstehenden bedeutete ihm, mit dem Heilversuche fortzufahren. Einzig Sir Edward, der am Rande des Geschehens Aufstellung genommen hatte, hob eine Augenbraue. Das war sein Zeichen gelinden englischen Zweifels, zugleich eine Warnung, es nicht zu übertreiben.
    Doch der »Hakim« blickte über diese Warnung hinweg. Wie ein Schauspieler auf großer Bühne war Halef darauf erpicht, aus jeder seiner Bewegungen etwas Grandioses merken zu lassen. Die kühlste, entschlossenste Miene bot er seinem Publikum; gar so dringlich gebeten, tat er, als gäbe er sich geschlagen. Behandeln, heilen, Unmögliches bewirken – nun gut, warum nicht?
    Also setzte er seine Machinationen fort. Geheimnisvoll kreisten wieder die kleinen Hände über dem blutverschmierten Askari. Einem Schamanen gleich murmelte Halef eine Reihe immer gleicher Worte, undeutlich genug, daß niemand sie verstehen konnte, aber auch immer rapider und lauter, daß ein jeder die reimgezwungene Formel wahrnehmen mußte. Dabei verdrehte und verrenkte er seine Hände nach allen Richtungen. Als er genug exzelliert hatte und seinen Zauber für getan hielt, hopste er mit einem einzigen Satze fort von seinem Patienten, als ginge von diesem eine wahre Höllenglut aus. Um so selbstbewußter blieb dabei sein Gesicht, als stände der Erfolg der mysteriösen Prozedur bereits unerschütterlich fest.
    Niemand sprach ein Wort. Nicht das kleinste Geräusch regte sich. Einzig Faris Abbas überglühte den Heiler mit finsteren Blicken. Für ihn handelte es sich bei Halefs Verrichtung um das
freche Werk eines Scharlatans, zumal der Verletzte immer noch regungslos dalag – regungslos wie ein Toter.
    Ein weiterer unfroher Blick traf Halef von Sir Edward. Mit einigem Recht mochte er befürchten, die Askaris könnten sich für den Versuch ihrer Nasführung an ihnen beiden rächen.
    Doch was war dieser Blick gegen den von Halef!
    Er hielt an seinem Gehabe des vielbeschäftigten Arztes fest, welcher die Toten gleich im Dutzend wiederauferstehen ließ. In schönster Gelassenheit rieb er sich die Hände und stapfte zu seinem im Sande ruhenden Kamel. Schon griff er nach den Zügeln, doch als er Anstalten machte aufzusitzen, rief es schneidend hinter ihm:
    »Halt! Besteigst du das Kamel, schieße ich dich herunter!«
    Es war Faris Abbas, der Halef gefolgt war. Ihm angeschlossen hatte sich die Elite seiner Armee.
    »Dein Spruch, fremder Arzt, kommt ein wenig zu flink, ebenso die Genugtuung, die du darüber zeigst. Wer aber Augen hat und Verstandes genug, der muß sehen, daß unser Kamerad ob deiner Untätigkeit verblutet ist. Dein Lohn dafür kann nur der Tod sein, denn ich nehme dich beim Wort: Du bist ein großer Heiler! Erhebt unser Mann sich nicht augenblicklich, erleidest du für deinen Betrug Höllenqualen. Sieh noch einmal nach ihm, aber beeile dich mit deiner Kunst. Man rühmt meine Kampfeskraft, nicht meinen Langmut!«
    Wieder blieb Halef ganz ruhig, und wieder tat er etwas Unerwartetes. Als hätte nichts anderes in seiner Absicht gelegen, rückte er von Kamel und Sattel ab und verbeugte sich

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