Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
und die Karawane friedlich ihres Wegs ziehen dürfen.«
»Gott ist groß, Gott ist groß!« Walid umklammerte Halefs Knöchel nur noch fester. »Alles könntest du von mir fordern, Edler, aber du bist großmütig und verzichtest, bittest anstatt dessen für die Besiegten! Ich bin es nicht wert, daß du – – – «
Das war zuviel für Faris Abbas. Sogleich war der Kommandeur heran und versetzte dem vor Freude Weinenden einen derben Tritt.
»Soldat! Danke dem Allmächtigen auf stillere Weise, und mache dich davon! Versieh dich mit einer neuen Waffe, und tue deine Pflicht! Und du, Fremder, der du dir als Hakim die Füße küssen läßt, bescheide dich mit der Wirkung dieses einen Kunststückes. Ich finde schon noch heraus, wer und was du wirklich bist. Was aber die Karawane betrifft: Ich gebe sie nicht frei. Sie wird mit uns nach Dschunet ziehen und dort unserem Emir Lösegeld entrichten. Euch werde ich ihm persönlich vorführen!«
So sprach der oberste Askari, und doch mußte er im nächsten Moment erleben, daß der überaus dankbare Soldat sich ein zweites Mal in den Sand warf. Diesmal freilich wandte er sich gen Osten, nach Mekka. Mit einem Schwall von Dankesworten pries er Allah, der ihn, wie er glaubte, vor dem sicheren Tode bewahrt hatte, mehr noch: vor der fürchterlichen Begegnung mit dem Messer.
Die anderen Räuber, welche Halefs Hokuspokus mit dem größten Staunen verfolgt hatten, fielen ebenfalls in diese Lobpreisung ein, desgleichen die leidgeprüfte Karawane, ist doch der Überschwang der einen immer auch die Hoffnung der anderen. Eine solche Heilung war Siegern wie Besiegten noch nie untergekommen; der Aberglaube, zu dem nachgerade Wüstenbewohner fähig waren, siegte über die wahren Verhältnisse.
Nicht so Faris Abbas. Er schraubte seine Augen geradezu in Halefs Gesicht, das so unschuldig wie ein Äpfelchen glänzte. Als
zwar Gefangener, aber auch frischgebackener Held der Heilkunst wurde er von niemand daran gehindert, sich zu Sir Edward zu gesellen.
» Miracles and wonders, Rätsel und Wunder!« wurde er freudig begrüßt und umarmt. »Verehrter kleiner Sir, sagt, wie habt Ihr das zuwege gebracht? Niemals befand sich doch diese Kugel zwischen den Rippen dieses Mannes, das wißt Ihr!«
»Nun, Effendi«, lachte Halef. »Vielleicht nicht gerade dort, wohl aber hier, zwischen meinen Fingern, und davor in meinem Gürtel, und nochmals davor in meinem Beutel. Blut war ja reichlich an dem Manne, ein jeder hat es gesehen. Doch Gefahr bestand für ihn keine; das Erschrecken über das Zerknallen seiner Flinte war die schlimmste Verwundung. Uns aber, die wir jetzt Gefangene sind, wird seine Genesung helfen. Töten darf man uns nicht mehr, das wäre gegen das Gesetz der Wüste. Dieses gilt selbst unter Räubern, wie erst für den Geretteten. Wer uns jetzt etwas antäte, verginge sich auch gegen den Askari, der mir heilig seinen Dank geschworen hat. Die Thar, die Blutrache, gilt unter den Beduinen – fürs erste, Effendi, sind wir sicher.«
Tatsächlich verkündete Faris Abbas, an seiner Seite den ob seiner Niederlage zerknirschten Karwan Baschi:
»Hört! Es wird nicht mehr geschossen, und es wird auch nicht geplündert. Ihr alle, die ihr zu der Karawane gehört, seid Gefangene von Abu Saleh, dem Herrn der Oase Dschunet. Ohne Verstattung habt ihr euch auf sein Gebiet gewagt, und ihr würdet, hätten wir euch nicht daran gehindert, Wasser aus einem seiner Brunnen entlang dem Reisepfade gestohlen haben. Ihr wißt, was das bedeutet. Wir lassen euch leben, aber ihr müßt euch freikaufen, und den Preis wird euch unser Herrscher nennen. Auch dieser Hakim und dieser Fremde werden uns begleiten. Sie haben auf uns geschossen und sich dadurch ebenso gegen unseren Herrn vergangen. Gebt nun eure Waffen ab, alles andere dürft ihr einstweilen behalten. Leistet ihr Widerstand, gibt es für euch keine Schonung!«
Es geschah, wie Faris Abbas befahl: Die Besiegten fügten sich
und übergaben ihre Waffen. Man spreche aber deshalb nicht gleich von Feigheit. Trägheit, wie sie oft dem arabischen wie dem türkischen Gemüte vorgeworfen wird, hat in gewissen Lagen ihr Gutes. Anstatt zu lamentieren oder sich unsinnig zu wehren, wozu wir Abendländer gern neigen, schickt der Orientale sich drein. Er rettet so zuallererst sein Leben und hofft ferner auf bessere Umstände, mithin auf Allahs Hilfe. Für den gläubigen Menschen, der seine Tatkraft einzusetzen weiß, kann eine solche Einstellung durchaus von Vorteil sein.
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