Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
zuviel für den Mann. Er war nur ein einfacher Geist und wähnte sich, ob des Blutes in seiner Bauchgegend, schon fast im Reich der Toten.
»Muß ich sterben? Sage es mir, o Hakim! Wenn Allah mein Opfer fordert, so gebe ich es. O ihr Himmel und Sterne, gleich werde ich bei euch sein. Die Engel werde ich sehen, und der Prophet selbst wird zu mir sprechen!«
Allein Halef machte eine abwehrende Handbewegung.
»Sprich nicht von den Engeln, nur weil eine Mücke dich gestochen hat. Und den Propheten lasse ganz heraus. Du und überhaupt ihr alle, hört mir zu! Wie jedermann weiß, war Mohammed nicht nur der Mund unseres Schöpfers, er war auch sein wichtigster Heiler. Durch die Zeiten aber folgten Tausende seinem Beispiel, um den Gläubigen Gesundheit zu bringen. Seht mich an! Trotz meiner jungen Jahre habe ich die Heilkunst gründlich studiert, wie übrigens noch viele weitere Wissenschaften. Auch war ich schon auf dem Hadsch, auf der Pilgerreise, wie ein jeder Gläubige sie wenigstens einmal im Leben unternehmen soll. Darum habt ihr mich gefälligst einen Hadschi zu nennen, und entsprechend fordere ich von euch Respekt. Meinen Namen, den ich euch gleich nennen werde, prägt euch ein. Es ist der eines Mannes, welcher sich auf die Medizin geworfen hat, um selbst noch seinen Feinden beizuspringen. Männer: Vor euch steht Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah!
Und außerdem sage ich: Im fernen Alemanja, im großen Volk der Nemsi, gibt es einen Mann, vor dessen Glanz eure trüben Augen erblinden müßten, könntet ihr ihn sehen. Er mag nur Christ sein und somit ein Giaur 15 , doch darf er sich rühmen, einen der vornehmsten Söhne Arabiens zum Freunde zu haben – mich! Sihdi heiße ich diesen großen Mann, weil er ein hochgeachteter Heiler ist und ein ebensolcher Chirurg, der beste, der je seinen Fuß in unseren Sand gesetzt hat. Wäre er an meiner Stelle, er würde euch gleichfalls sagen, daß man diesen Mann nicht zu schneiden braucht, wie euer törichter Kamerad es beabsichtigt. Durch die Heilkunst meines Sihdi vermag ich dem Todgeweihten zu helfen, aber ohne dabei das Messer anzusetzen. Deshalb freut euch, Soldaten, daß ihr mir begegnet seid, und dankt dem Schöpfer, dem Allmächtigen. Der Verwundete ist schon zu schwach, er befindet sich, wie er selbst sagt, bereits im Gewahrsam des Erzengels Gabriel, welcher ihn bei sich halten will. Trotzdem will ich es unternehmen, ihm Heilung zu bringen. Die Kugel, die eurem Freunde beigebracht wurde, stammt aber weder aus meinem noch aus einem anderen Gewehr; mein Heilerauge sieht das sofort. Die eigene Waffe ist es gewesen, die dieser Dummkopf nicht zu handhaben wußte. Die Kugel aber, die in ihn eingedrungen ist, bringt kein Messer hervor, ohne ihn zu töten. Ich vermag es, und zwar mit Hilfe der magischen Worte meines Sihdi. Auswendig weiß ich sie, und weil ihr zur Stunde das Auge Allahs noch nicht mit dem Blute Unschuldiger betrübt habt, bin ich bereit, diese Worte zu sprechen. Gebt aber Raum, tretet zur Seite! Schafft mir Platz, damit ich wirken kann!«
Und tatsächlich, ob dieser flammenden Rede und der krönenden Verheißung wichen die wilden Kämpfer zurück. Erwartungsvoll schwiegen sie, und sogar der Verletzte vergaß sein Gejammer. Auch Faris Abbas schien gespannt auf das Kommende zu sein. Mißtrauisch beäugte er jede Bewegung Halefs.
Dieser ließ sich neben dem Verletzten nieder. Zu gut wußte er, daß ihm erst der kleinere Teil seiner List geglückt war. Nun mußte eine Tat folgen, eine rechte Schaufreude. Groß und eindrucksvoll genug mußte sie sein, daß sie Halef bei den Räubern in Achtung setzte. Deshalb schloß er sogleich an das Gesagte an:
»Dieser fast schon tote Mann wird sich wieder erheben. Mit den eigenen Händen wird er sich das Blut abwischen, auf die Füße springen und euch allen zeigen, daß er geheilt ist. Er mag dann nach Hause gehen, in sein Zelt, zu seinem Weibe und seinen Kindern, und er mag Allah preisen und den Propheten sowie die Heilkunst aller wahrhaft großen Ärzte, denn aufgepaßt, ich beginne!«
Um nur ja nichts zu versäumen, rückten die Räuber noch näher zusammen, wahrten jedoch respektvoll Abstand zu Halef, dem »wahrhaft großen Arzt«. Sogar die kampflos besiegten Männer der Karawane, die aus der Nähe alles mit angehört hatten, vergaßen ihr trauriges Los. Mit erhobenen Händen drängten sie heran, um gleichfalls Zeuge der angekündigten Wunderheilung zu werden.
Als das letzte
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