Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
zunichte
gemacht. Von den Feinden ist kein einziger zu Tode gekommen, doch dort drüben liegt einer der Unseren im Sande. Herunter mit den Kerlen. Mein Urteil gilt: Es wird sofort vollstreckt!«
Blutrünstig reckten die Räuber ihre Lanzen, Säbel und Gewehre gegen Halef und Sir Edward, einige gaben Schüsse ins Blaue ab.
Voll Genugtuung prüfte Faris Abbas die Wirkung seiner Worte auf die Gefangenen, doch enttäuscht, diese nicht im geringsten niedergedrückt zu sehen, tat er, als besönne er sich anders. In der herablassendsten Weise sprach er zu Halef und Sir Edward:
»Obwohl, wer weiß – vielleicht ist es besser, wenn ich euch noch etwas leben lasse; ein schneller Tod wäre eine unverdiente Gnade. Ich bringe euch nach Dschunet, in die Oase. Dort mag unser Gebieter die Stunde eures Todes bestimmen. Daß ihr unter das Schwert kommt, steht außer Frage. Doch vielleicht sind euch noch ein paar Stunden geschenkt – was sagt ihr dazu?«
Noch ehe Halef oder Sir Edward sich zu dieser großmütigen Einladung äußern konnten, steigerte sich das bisherige Ächzen des schon erwähnten verletzten Räubers zum Gebrüll. Derart laut schrie auf einmal der Mann, daß neuerlich Unruhe in dem Offizierskorps entstand. Faris Abbas machte Zeichen, den Soldaten zum Schweigen zu bringen, aber Halef sagte:
»Ehe du uns peitschen oder köpfen läßt oder uns auch nur erlaubst, die Hände zu senken, wird dieser Mann sterben. Er schreit schon jetzt wie ein abgestochener Hammel.«
»Was redest du – leben wird er! Wir verfügen über einen erfahrenen Wundarzt. Yussuf, zu mir!«
Einer der Askaris trieb sein Kamel heran, hieß es sich senken und stolperte aus dem Sattel. Obwohl krummbeinig und zahnlos, trug er am Gürtel ein ganzes Arsenal unterschiedlich langer und breiter Messer, dazu eine Art Schröpflöffel. Er war der Feldscher der obskuren Truppe.
Ein weiterer Wink von Faris Abbas, und auch seine Offiziere stiegen ab, zuletzt er selbst. Es verstand sich, daß Halef und Sir
Edward diesem Befehl zu folgen hatten. Angeführt von Faris Abbas, ging man die wenigen Schritte zu dem Verwundeten. Als dieser das hochherrschaftliche Nahen seines Befehlshabers vernahm, ließ er sein Crescendo noch einmal besonders deutlich hören: Wer derart schrie, mußte an den schwersten nur denkbaren Verletzungen leiden.
Jener Mann namens Yussuf kniete sich neben den Verletzten und wählte eines der Messer aus seinem Gürtel. Als aber Halef sah, wie dieser Doktor Eisenbarth der Wüste seine schmutzstarrenden Hände lediglich durch ein angedeutetes Wühlen im Sande »reinigte« und sie sogleich an die Wunde des Verletzten legte, sprang er, trotz der Überzahl der Bewaffneten, hin zu dem schrecklichen Arzte. Ihm das Messer aus der Hand schlagen, ihm eine Ohrfeige versetzen und ihn beiseite stoßen war eins.
»Bei Allah, ein Helfer der Kranken willst du sein, ihr Engel und Heiler? Ein Fleischer bist du, der dümmste und elendste von allen. Hinweg!«
»Fremder, du hast kein Recht, mich zu schlagen«, jaulte der Alte. »Was verstehst du schon von meiner Kunst? Man ruft mich zu den Angeschossenen und bezahlt mich gut dafür. Noch den ärgsten Blutfluß stille ich, für alles habe ich eine Medizin parat, und schneiden kann ich wie kein Zweiter!«
»Ja, das glaube ich«, spottete Halef. »Und vor jedem Zweiten stirbt dir ein jeder Erster. Nochmals: hinweg! Ein Hakim 14 bin ich selbst, aber ein viel größerer und bedeutenderer als du. Ich werde nach dem Manne sehen. Wenn er überhaupt zu retten ist, so bin ich es, der ihm hilft!«
Dieses beherzte Auftreten verfehlte seine Wirkung nicht. Anstatt Halef zu hindern, bedeutete auch Faris Abbas dem Kurpfuscher, beiseite zu treten; es war nicht ausgeschlossen, daß man in dem kühnen Gefangenen einen wirklichen Chirurgen vor sich hatte.
Halef, weniger verliebt ins Schneiden als ins Aufschneiden,
fühlte sich wieder als Herr der Lage. Im Tone größter Entschlossenheit wandte er sich an den Liegenden:
»Du, Askari, sprich! Ehe ich mit deiner Heilung beginne, muß ich wissen, wie es zu deiner Verwundung kam; jeder gute Arzt benötigt darüber Gewißheit, ehe er über die Kur entscheidet. Also, weshalb fielst du so plötzlich von deinem Kamel? Eure Gegner schossen doch kaum weniger schlecht als du selbst; mein Gefährte und ich haben alles mit angesehen. Konntest du dich nicht gedulden, bis wir nahe genug heran waren und unsere eigenen Kugeln dich weggeputzt hätten?«
Dieser Mangel an Zartgefühl war
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