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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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sank dort zu Boden und verblieb in ihrer Position, einer Grätsche. Noch ein angedeutetes Schütteln, ein letztes Zittern – wie eine ersterbende Blume sackte der biegsame Körper in sich zusammen.
    Niemand im Saale getraute sich, Applaus zu spenden, obwohl es einen jeden dazu drängte. Alles wartete und blickte auf den Mann, dessen Hand wie gelangweilt immer neue Häufchen von dem Weihrauche in die Glut rieseln ließ.
    Die Fackelträger und Palmenwedler wagten es nicht, in ihren gleichmäßigen Bewegungen zu ermüden. Weiterhin sollte ihrem Herrscher die zur Ruhe gekommene Gestalt der Tänzerin sichtbar bleiben. So weidete sich der Vater des Teufels an dem heftig atmenden, rauchumwaberten Engel.
    »Komm!« tönte er begehrlich. »Blume des Abendlandes, hellster Stern an unserem Himmel. Komm, setze dich zu mir. Ich bin dein Gebieter und will dich reich belohnen!«
    Anstatt aber Saleh zu Willen zu sein, hob die junge Frau den bislang gesenkt gehaltenen Kopf, und ihr Körper wuchs abermals empor zu jener lieblichen Gestalt, als welche sie zuvor von allen Seiten ausgiebig bewundert worden war.
    In einwandfreiem Arabisch rief sie:
    »Nein, o Saleh, ich setze mich nicht zu dir. Auch bist du nicht mein Gebieter, und einer Belohnung bedarf ich nicht, wenn du mich und die Meinen nur nicht länger strafst!«
    Saleh, vom Zorn gepackt, schrie:
    »Wie, du weigerst dich? Bist du nicht einem Manne in die Hand gegeben, den man nach allen Richtungen als Vater des Teufels fürchtet, dem Herrscher über diese Oase und alles Land, das daran grenzt? Weißt du nicht, daß mein Wille ein eiserner ist? Du wirst selbst gesehen und gehört haben, wie zwischen den Zelten
die Unterhändler der Karawane stöhnen, weil der Tribut, den mein Schatzmeister fordert, ihnen nur die Wahl zwischen Verderben und Überleben läßt. Du weißt es, und dennoch sprichst du wie eine Herrin zu mir – eine Herrin, die für mich tanzt!«
    »Ja, Saleh«, kam es unerschrocken zurück. »Ich füge mich. Denn erst gestern drohtest du, die Meinen bis zum Kopf im Sande zu vergraben, falls ich dir nicht zu Willen sei; tanzen muß ich für dich, an jedem Tag und oft noch in der Nacht, weil du uns mittelst Hunger und Durst dazu zwingst!«
    »Und warum ist das so?« sagte Saleh wie gleichgültig, weiter sein Harz in die Glut streuend. »Warum zwinge ich dich? Weil du hoffärtig bist! Weil du zwar den Liebreiz eines Engels besitzt, dich mir aber verschließt und von deinen Wonnen nicht mehr gönnst als den Tanz! Deshalb habe ich bestimmt, daß allein du zu essen und zu trinken bekommen sollst, nicht jedoch deine Alten. Seit Tagen weist du meine Köche zurück, obwohl sie mit Respekt in dein Zelt treten und dir die ausgesuchtesten Köstlichkeiten bringen. Wenn du dich weiter störrisch zeigst und nichts zu dir nimmst, muß ich Aidschan befehlen, dich zu füttern. So sanft meine Blicke auf dir ruhen, seine Hände sind grobe. Merke: Ich bin es, der künftighin über dich bestimmt!«
    »Nein, Saleh, allein Gott bestimmt, was mit mir geschieht!«
    »Gott? Es gibt keinen Gott außer Allah!«
    Über diese Worte empörte sich das Mädchen in der deutlichsten Weise. Sein Körper straffte sich, wuchs um ein ganzes Stück in die Höhe – die Tänzerin hatte sich auf die Spitzen ihrer Zehen gestellt; eine Kunstfertigkeit, die keiner der Palastbewohner je zuvor gesehen hatte. Dies geschah so rapide, daß dem Mädchen der Schleier vom Gesicht fiel. Ein ausnehmend hübsches, wenn auch sehr gefaßtes Antlitz wurde sichtbar. So jung dieses war, es ließen sich darin die deutlichsten Zeichen eigenen Willens und innerer Stärke erkennen. Ohne Scheu auf Saleh blickend, sagte das Mädchen:
    »Ich spreche nicht von Allah, sondern von Gott, weil ich meinem
Glauben, dem christlichen, anhänge. Von ihm mag ich nicht lassen, erst recht nicht in Gefangenschaft. Du hast uns der Freiheit beraubt, und so sind meine Gebete der einzige Schatz, der mir geblieben ist. Ich richte sie an meinen Schöpfer, den Vater Jesu, seines einzigen Sohnes. Von ihm ersehne ich Beistand und Erlösung.«
    »Jesus?« lachte Saleh roh. »Ja, ich habe von ihm gehört. Zu den Propheten des Allmächtigen wird er gerechnet, doch kann er darum keineswegs als sein Sohn gelten. Jesus, sagst du – Isa, antworte ich! Mit etlichen seiner Gesandten steht er in einer Reihe, das ist wahr. Doch diese ist lang und reicht von Adam bis Zacharias. Sei also verständig, Mädchen, und gib deinen Widerstand dahin. Unterwirf dich Allah als

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