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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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deinem einzigen Gott, und erkenne mich als den Eigentümer deines Herzens an. Tu es, und deine Eltern sind zur Stunde frei. Sie dürfen ziehen, wohin sie wollen, und erhalten alle ihre Sachen zurück.«
    »Und was, o Saleh, wird aus mir?«
    »Du sollst die kostbarste Perle in meinem Harem werden: Ich mache dich zu meiner Hauptfrau!«
    »Das will ich nicht.«
    »Mädchen! Verweigere dich nicht Allahs Willen!«
    »Und du, Saleh, verweigere dich nicht Gottes Gesetzen! Sage, warum bedarfst du eines Stuhles? Keinem Beduinen fiele es ein, sich auf einen solchen zu setzen. Weshalb also erhöhst du dich über andere? Ist es nicht seit jeher bei euch Sitte, daß selbst die Fürsten zu ebener Erde sitzen? Du spottest der Schöpfung, meidest Erde und Sonne, brennst Fackeln selbst bei Tage. Anstatt in einem Zelte zu wohnen, hast du dir aus Stein ein Haus erbauen lassen, in dessen Finsternis du dich verbirgst. Sage weiter, warum störst du den Frieden der Reisenden, warum verweigerst du ihnen Geleit und Frieden sowie Brot, Salz und Tee? Weshalb beköstigst du sie nicht, wie der Brauch es erfordert, mit Ziegenmilch, Datteln und Fleisch? Anstatt dessen überfällst und beraubst du die Menschen. Die Ärmsten verkaufst du als Sklaven, und von den Wohlhabenden
erpreßt du Lösegeld. All dein Reichtum entspringt nicht ehrlicher Hände Arbeit oder klugem Verstande. Aus Not und Tränen raffst du Besitz. Falls du wirklich Beduine bist, Saleh, mußt du dich schämen!«
    Das war schon nicht mehr nur allein mutig, das war todesmutig gesprochen.
    Saleh sprang wütend auf, und man konnte sehen, daß er im Stande ein ähnlich hohes Maß erreichte wie Faris Abbas oder Sir Edward. Aufs schlimmste erregt, umrundete er die qualmende Schale und baute sich vor dem Mädchen auf. Dieses wich nicht im geringsten zurück, mußte es jedoch geschehen lassen, daß Saleh seine Hand um das kleine, trotzige Kinn legte. Mit einer Kraft, die zwischen Hingezogenheit und Brutalität noch unentschlossen war, drückte er zu, doch wie staunte er, als ihm eine unerwartete Stärke entgegenwirkte. Die Kräfte von Tänzern, weiblichen wie männlichen, waren mithin beträchtlich zu nennen.
    Die Diener blickten unsicher drein – wie sollten sie wissen, ob sie Saleh gegen ein Weib beistehen oder sich schicklich fernhalten sollten? So schwenkten sie nur weiter ihre Fackeln, aus Verlegenheit wohl noch etwas eifriger als zuvor. In diesem unsteten Lichte konnten auch Halef und Sir Edward den Machthaber endlich genauer betrachten.
    Sie bekamen ein Gesicht zu sehen, das zwar nicht unschön, aber wie auch das von Faris Abbas von einer Fülle widerstreitender Regungen gezeichnet war. Zwischen den schwarzbuschigen Brauen des Fünfzig-, vielleicht Sechzigjährigen nistete eine tiefe Querfalte, die keinen Widerspruch zu dulden schien. Über die linke Wange Salehs, bis hinauf zur Stirn und in den Haaransatz hinein, zog sich eine fingerdicke, bläulich glänzende Narbe. Sie entstellte den Mann, den vor Jahren ein schrecklicher Schlag getroffen haben mußte, wohl ausgeführt vom Hiebe eines Degens oder Säbels, auf jeden Fall von der Wucht einer außergewöhnlichen Klinge. Breit und flach war sie geführt worden; nicht getötet, aber gezeichnet hatte sie ihren Gegner. Somit trug er seinen Kriegsnamen zu
Recht – dem »Vater des Teufels« blieb nichts anderes übrig, als auf sein abstoßendes Äußeres stolz zu sein. Gleichzeitig mußte seine abstoßende Wirkung auf andere Menschen ihn peinigen. Hierin war der Grund zu vermuten, daß er sich selbst bei Tage im Dunkeln aufhielt.
    Die junge Frau in ihren Schleiern indessen schreckte er nicht. Zwar hielt er ihr Kinn immer noch mit seiner harten Hand umfaßt, aber ihr Blick blieb gefestigt.
    Darüber ärgerte sich Saleh und verstärkte den Druck.
    »Mädchen! Nenne mich, der ich doch Targi 23 bin, nie wieder einen Beduinen. Anders als diese hüte ich nicht Ziegen. Auch züchte ich nicht Pferde und Kamele wie sie, sondern raube sie ihnen, ebenso ihr Salz und ihren Zimt und ihr Gold und auch alles andere. Ich schweife nicht in der Wüste umher, sondern ziehe es vor, in einem Hain zu wohnen, wo Sklaven um den See herum die Erde bebauen. Meine Passion ist die Jagd – die Jagd auf Menschen und Besitz. Die Beduinen, von denen du sprichst, sind dumm. Sie halten sich für Raubfische im Meer der Zeit. Mich hat Allah auserkoren, über dieses Meer zu herrschen, folglich sein Wasser zu sein. Ohne mich verdursten die Fische, ohne mich ersticken die

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