Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Trennen wir uns, ich habe für heute abend Vorbereitungen zu treffen. Denke nur an das Paket. Und wähle für uns die besten Tiere, die du kriegen kannst; noch heute nacht werden wir sie brauchen. Sage, Mister Hayes akzeptiere ihren Preis, aber er zahle erst nach seiner Rückkehr. Man kennt mich in Cheyenne als großzügig, die Gier wird den Rest besorgen – sie hat noch jeden blind gemacht!«
Fragte man mich heute, wie ich damals unbemerkt aus meinem Versteck zurück ins Freie gelangte, ich wüßte es nicht zu sagen. So sehr verloren in Überlegungen war ich, daß ich mich mit einem Male auf der Straße wiederfand, allerdings ziemlich abseits von jenem Stalle; ich mußte also weit ausgegriffen haben.
Was waren das für Männer, vor allem dieser eine, Hayes? Was waren das für Pläne, die sie schmiedeten und welche mir durch Zufall und andeutungsweise bekannt geworden waren? Aber was sage ich – so etwas wie Zufall gibt es nicht. Eher an Fügung ist zu denken, wenn einem Christenmenschen die Gelegenheit zuteil
wird, ein Verbrechen zu verhüten, wenngleich ich sogar Kenntnis von mehreren Untaten genommen hatte, wohl auch Morden, bevorstehenden und offenbar schon lange zurückliegenden.
Milton Hayes und John Kilmer – wie hatten die Kerle gelacht, als dem einen das Wort »Christen« herausgerutscht war. Nein, nichts weniger als gottesfürchtige Menschen waren sie. Und die genannten Städte Dresden und Hamburg – es handelte sich um Landsleute, leider, vor allem aber um ausgemachte Dunkelmänner.
Das Nächste, was ich tat, war banal: Ich suchte einen Bartscherer auf. Der plötzliche Drang in mir, mein Äußeres zu verändern, war übermächtig geworden; tunlichst wollte ich dem Manne, der mir nun schon zum zweiten Male begegnet war, nicht allzusehr gleichen. Daß bei dem Barbier etliche Gentlemen vor mir auf Bedienung warteten, war mir recht; um so besser konnte ich mein Gesicht hinter einer Zeitung verbergen und meinen Gedanken Audienz erweisen.
Vieles ging mir durch den Kopf, etwas ganz besonders.
Ein Beduine war erwähnt worden. Zu jener Zeit war es ja noch ungewöhnlich, daß ein Orientale nach einem anderen Kontinent reiste. Auf ihrem eigenen, zwischen der Wüste und ihren uralten Städten, da bewegen sich die Kinder Allahs routiniert hin und her wie auf Flüssen, Seen, Meeren; nicht umsonst spricht man von ihren Kamelen als von Wüstenschiffen. Aber eine Reise von Nordafrika nach Nordamerika, das war etwas gänzlich anderes.
Auch war die Rede von einem einzelnen Manne gewesen. Was für ein verwegener Mensch aber mußte das sein, sich allein und so weit in den Westen zu wagen, in eine Sphäre, die man nur unter Vorbehalt als zivilisiert bezeichnen konnte – was hatte ein Beduine da zu schaffen? Dieser eine Tapfere war sogar, um ein weißes, wohl kaum moslemisches Mädchen zu schützen, in Streit mit Hayes geraten und hatte sich mit einem Dolche zur Wehr gesetzt – eine hierzulande ungewöhnliche Waffe.
Jenes Mädchen – auch es war eine Alleinreisende.
Zweifellos hatte sich Hayes an das Fräulein herangemacht und
war abgeblitzt, woraufhin Kilmer, sein Spießgeselle, allerlei Lügen aufgebracht hatte, um eine falsche Fährte zu legen. Ein junges Mädchen in die Wildnis zu schicken, nach einem verlassenen Militärposten, das war schändlich. Ob der wehrhafte Wüstenmann dem Kinde eine Hilfe sein konnte, bezweifelte ich. Beide waren sie doch ortsunkundig und mit den Gebräuchen und Gefahren des Westens unvertraut.
Als ebenso beunruhigend empfand ich die mitgehörten Äußerungen hinsichtlich der Washburn-Expedition. Zwar war mir ein Schoschone namens Donnerwolke noch nie untergekommen, aber daß ein roter Häuptling sich für die Ränke eines weißen Geschäftsmannes hergab, erschien mir vorstellbar. In ihrer Verzweiflung taten sich die Roten schon einmal mit Weißen zusammen, die doch ihre schärfsten Gegner waren. Ihre Vorteile waren diese: das Überraschungsmoment, die bessere Kenntnis des Geländes, ihre ungleich größere Zähigkeit. Man brauchte den Erkundungstrupp nur an der richtigen Stelle in einen Hinterhalt zu locken. Wählte man den Ort gut, würden nicht einmal die Leichen zu finden sein.
Dann waren da die Anspielungen der beiden Mordbuben auf ihre jeweilige Vergangenheit. Hayes oder Heise war Deutscher, wie Pfäffle schon gemutmaßt hatte. Aus Dresden stamme er und solle sich dort, wie sein abgefeimter Genosse ihm vorwarf, verschiedener Delikte schuldig gemacht haben –
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