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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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Veränderungen unterzogen!

    Damit nicht genug, suchte er kurz nach mir. Als er mich entdeckte, kam er sofort auf mich zu.
    Ich habe schon erwähnt, daß er in einem viel höheren Alter stand als ich. Aus der Nähe nun ließ er sich besser schätzen. Ich rechnete ihn auf deutlich über fünfzig, meinen eigenen Jahren also gut um das Doppelte entsprechend. Seinen Bewegungen merkte man diesen Unterschied nicht an; selbst im Gehen federte der Mann voll Jugendlichkeit. Dem feinnervigen Vibrieren seiner Muskeln und Sehnen zufolge hatte er wie ich ein Vorleben in jenen Disziplinen gehabt, die ich wohl an anderer Stelle schon einmal aufgezählt habe: Laufen, Schwimmen, Turnen, Ringen. Hayes’ Gesicht war natürlich schärfer und kantiger gezeichnet als mein noch junges; unübersehbar hatte das Leben seine Kerben eingeritzt. Auch trug er, wie ich erst jetzt bemerkte, auf der zierlichen, immer ein wenig gerümpft wirkenden Nase eine monokelhaft dünn gearbeitete Brille, während mir damals eine Sehhilfe allenfalls bei langen nächtlichen Arbeiten am Pulte vonnöten war.
    Auch Hayes trug einen Hut. Dieser besaß die gleiche Form wie meiner, nur mußte er für den seinen erheblich mehr Dollars hingelegt haben als ich; bei ihm bestand das Hutband nicht aus gewöhnlichem Leder, sondern aus einem Streifen seltener Krokodilshaut. Zwischen einem der Knopflöcher seiner schwarzen Seidenweste und einer der Seitentaschen führte ein mehrreihiges Silberkettchen mit Knebel und Schiebern zu einer Taschenuhr, die meinen Augen leider verborgen blieb. Gar zu gern hätte ich das gute Stück einer kleinen Inspektion unterzogen, gab sie ihm doch ein Gepräge von Wohlanständigkeit, das ich längst als unangemessen empfand. Auch in diesen, eigentlich läßlichen Kleinigkeiten zeigte sich, daß sich Hayes seine Ausstattung weit mehr kosten ließ als ich. Nun, ich hatte mit eigenen Ohren gehört, wie er seine Finanzen auf Kosten anderer im Lot hielt.
    Wie er aber vor mir stand, auf den Zentimeter mein eigenes Maß, meine eigene Haltung, mein eigener Blick, da wollten zwei Dinge mich irritieren.

    Das erste war ein aufkommendes Lächeln in seinen Mundwinkeln – lächelte ich genauso? An meinen alten lieben Buchhändler Udolph mußte ich denken. Jener stammte aus Colditz, betrieb sein Geschäft aber in Dresden, in der Münzgasse. Wohl in derselben Weise, wie er mir einst als Antiquar so manch betagtes Exemplar anzupreisen pflegte, würde er wohl auch Milton Hayes oder vielmehr Walter Heise beschrieben haben: nicht im geringsten angeschmutzt und ob seines Alters nur leicht berieben; geringe Schabspuren, sonst unbestoßen; eine beginnende Gilbung, an Ecken und Kanten jedoch heil.
    Aber Hayes war nun einmal kein Foliant. Er war auch kein Lexikon und ganz gewiß kein gemütlicher Schmöker, und deshalb gab mir jene zweite Irritation weit mehr zu denken. Mir fiel nämlich auf, daß sich die linke Brustseite seines Jacketts ungleich stärker wölbte. Wenn ich dabei nicht an eine physische, etwa kampfeshalber beigebrachte Deformation denken sollte, so doch an die Möglichkeit, daß sich unter dem Stoffe das schon angesprochene Spielzeug befand. Falls dies so war, konnte es sich keinesfalls um eine Schußwaffe handeln; derart flach waren kein Magazin und keine Trommel für die Munition vorstellbar.
    Dann bekam ich zu sehen, worauf ich insgeheim gewartet hatte. Es mochte ja noch so viele äußere Übereinstimmungen zwischen Hayes und mir geben, aber in einem Punkte konnte er mir nicht gleichen – wie sehr irrte ich mich auch da.
    Denn Milton Hayes klopfte mit seiner unbehandschuhten Hand, es war die rechte, einen ziemlich direkten Gruß auf die Tischplatte. Ich konnte also auch seine Finger und Knöchel sehen, geballt zu einer angedeuteten Faust, und wie erschrak ich da, wie entsetzte mich dieser Anblick – es war meine »Schmetterhand«!
    Mir blieb nur, meine Erschütterung auch über dieses identische Merkmal hinter einer Maske von Gleichgültigkeit zu tarnen. Meine einzige Hoffnung war, daß es dem anderen bei meinem Anblicke ebenso erging. Auch ihn konnte es nicht kaltlassen, praktisch seinem Spiegelbilde zu begegnen.

    Allerdings, wie Hayes die zum Klopfen nötige Bewegung gemacht hatte, war sein ja aufgeknöpftes Jackett ein wenig verrutscht. In dem Profil, das er selbst mir dabei bot, konnte ich nun doch einen Blick darunter werfen, wenngleich nur für eine winzige Sekunde. Diese reichte meinem geübten Westmannsblick, um deutlich ein Futteral

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