Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
in ihm durch, als er zu mir sagte:
»Haltet Se mich ned für en Dippel 46 , aba jetzt hilft dem Birschle grad no d’r Herrgodd!«
»Den lieben Gott lassen wir aus dem Spiel«, konnte ich gerade noch sagen; schon reckte Hayes seinen Arm in den Dunst aus Schweiß, Rauch und Gespanntheit.
»Gentlemen, wir werden drei Durchgänge sehen. Dazu habe ich hier einen Apfel und mein Messer. Der Apfel ist groß, rot und frisch, da gibt es nicht viel zu erklären. Anders mein Messer. Es ist kein gewöhnliches, seht nur – seine Klinge ist länger, breiter und auch dicker, als es selbst bei einem Bowiemesser der Fall ist; sie ist dreimal härter geschmiedet als ein solches, härter noch als Damaszenerstahl. Obendrein bildet es in der Mitte eine Wölbung, seht ihr? Ein Stich ins Herz eines Grizzly, welcher aufgerichtet einen Menschen zwar überragt, aber in dieser Stellung auch das beste Ziel bietet, ein solcher Stich ist unbedingt tödlich!«
Um diese Aussage zu unterstreichen, faßte Hayes sich mit der anderen Hand an den Kragen. Um diesen trug er, genau wie ich oder Kilmer oder überhaupt alle von uns, ein Halstuch. Er zog den
Knoten auf, und da blitzte es um seinen Hals – eine Kette säuberlich aufgereihter Grizzlyzähne!
Nun mag man einwenden, daß sich eine solche Trophäe auch käuflich erwerben ließe; einem Trapper könnte sie abgeschwatzt, einem Indianer abgenommen worden sein. Doch man glaube mir und meiner Westmannserfahrung, daß Hayes bei seiner Demonstration so sicher und überzeugend wirkte, daß ich in dieser Hinsicht seine Worte nicht bezweifelte, so unangenehm der Mann mir sonst war. Dieser tat zwar, als ob er einem jeden sein Messer vorzeigte, in Wirklichkeit ließ er es aber nicht zu, daß jemand auch nur länger als einen Wimpernschlag darauf blicken konnte. Man kennt solch Gebaren von Roßtäuschern.
»Es wird nun dreimal geworfen werden«, fuhr er unbeirrt fort. »Je einmal stelle ich mich selbst zur Verfügung, wobei ich mir den Apfel nicht etwa auf den Kopf setze, was noch einfach wäre. Viel schwerer werde ich es mir machen, denn zwischen die Zähne klemme ich die Frucht – hört ihr, zwischen die Zähne! Mein Kontrahent wird natürlich das gleiche tun, und jeweils einer von uns unternimmt dann jeweils einen Wurf. So fahren wir fort, bis der Apfel vollständig zerkleinert ist und kein Ziel mehr hergibt, was für gewöhnlich drei Anläufe erfordert. Verlierer ist, wer sich bewegt oder danebentrifft; Sieger folglich der andere. Seid ihr damit einverstanden?«
Aber ja, alle waren einverstanden, auch Pfäffle. Nur zu einem Punkte hatte Hayes noch nichts gesagt, und dieser war der entscheidende: Wer würde das sein, der Kontrahent? Ich brauchte nicht lange auf die Antwort zu warten.
»Tretet noch einmal hervor, Mister oder Herr Hirtreiter«, rief Hayes, auf dessen Herkunft anspielend. »Von allen Gentlemen seid doch wohl Ihr derjenige mit der größten Erfahrung, was Messer betrifft, habe ich recht?«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich reihum – jedermann wußte, wie üppig der Koch aufgetischt hatte, was ohne Kunstfertigkeit mit Schneiden aller Formen und Größen nicht denkbar war.
Hayes fuhr fort:
»Noch eben, Mister Hirtreiter, habt Ihr Euch mir mit viel Mannesmut dargestellt. Da müßtet Ihr schon ein ziemlicher Feigling sein, vor unserem kleinen Wettstreit zu kneifen, nicht wahr?«
Wieder erntete er Applaus, wenn auch weiterhin nicht von mir – und von Hirtreiter? In ihm täuschte ich mich nicht, denn schneidig, wie es Menschen seines Schlages entsprach, trat er vor:
»Zum Duell fordert Ihr mich, Mister Hayes, mich, einen Königlich Bayerischen Bediensteten? Wenn das der Herr Johann August von Eisenhart wüßte, einer unserer Kabinettssekretäre! Er würde Euch die einzig mögliche Antwort geben, denn Ihr gefallt mir nicht, daß Ihr es nur wißt. Aber heute hat meine Majestät ihren Ehrentag, da will ich nicht kneifen. Ihm zum Ruhme werde ich Eurem Apfelmesserchen standhalten, aber es dann, wie Ihr sagtet, gleichfalls schleudern. Außer daß ich das Obst zwischen Euren Zähnen zu Mus zerspalte, wird Euch nichts geschehen, Mister Hayes, bin i a Bayer, oder bin i a Preiß!«
Diese Zusage wurde von den Gästen heftig beklatscht, heftiger als Hayes’ Vorschlag selbst. Mir war dabei anders zumute. Ich sah nicht allein die Herausforderung, ich sah auch die möglichen Folgen. Es fehlte nicht viel, und ich wäre dazwischengegangen: Weshalb rieb Hayes sich an unser beider Landsmann; was
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