Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
Vom Netzwerk:
helfen kann«, nuschelte Viktoria
zu meinem Erstaunen. »Du hast doch viel um die Ohren und ich dachte, ich kann
dir vielleicht ein paar Zimmer abnehmen.«
    Was war das denn? Ein Wiedergutmachungsversuch ihrer mehr
als miserablen Buslüge von vorhin? Bei der neuen Vorgesetzten Punkte für die
Spitzelnotizen sammeln? Oder der Putzzwang, über den ich in ihrer Bewerbung gelesen
hatte?
    Egal, die Frau war meine Rettung!
    Â»Das wäre ja super«, strahlte ich begeistert. »Aber musst
du nicht auch putzen?«
    Zum ersten Mal wagte sie, mich anzusehen. »Bin schon
fertig.«
    Â»Wirklich? Wie hast du das denn geschafft?«
    Sie runzelte misstrauisch die picklige Stirn: »Ich habe
alles ordentlich gemacht, ehrlich!«
    Hatte ich was anderes behauptet?
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich mich an die Beobachtungen
von Edith ›dem Besen‹ Möllering erinnerte: MA
ist wieder eine gute Stunde eher mit ihren Arbeiten fertig.

    Â»Es wäre toll, wenn du mir helfen würdest, Vicky.«
    Wortlos griff sie nach ihrem Reinigungswagen, der im Treppenhaus
vor dem Fahrstuhl stand. Ich traute meinen Augen kaum, als sie das schwer
bepackte Ding mit einer Hand in den Flur zog, als wäre es ein Puppenwagen von BABY born. Allerdings schrammte sie
dabei am Türrahmen entlang, ohne es zu bemerken.
    Aha, Mitarbeiterin
beschädigt schon wieder Klinikeigentum. Ich kratzte mich am Kopf. Wie eine
Schleimerin wirkte sie nicht gerade.
    Mit einem Griff hatte Viktoria in einer Hand den Opti-Clean -Superwischer,
in der anderen einen Eimer mit Scheuerlappen und Desinfektionslösung und stieß
die nächste Zimmertür auf.
    Bevor die Tür hinter ihr zufallen konnte, stellte ich
einen Fuß hinein. So konnte ich durch den Spalt beobachten, wie die dickliche,
junge Frau mit präzisen Schwüngen den Boden um die Betten herum säuberte, über
Tisch, Nachttisch und Waschbecken wischte, ehe ich mich versah, schon Handtücher
und Seife ausgetauscht hatte und im Vorbeigehen den Beutel aus dem Mülleimer
nahm.
    Offensichtlich hatte Edith Möllering ihr muffiges Abteilungsleiterbüro
kein einziges Mal verlassen, um herauszufinden, warum Vicky Lebrecht früher als
die anderen mit ihrer Arbeit fertig wurde. Denn dann hätte ihr auffallen
müssen, dass die Dicke weder faul noch schlampig war, sondern einfach eine
Superputze.
    Dank der kinnlosen Viktoria war meine Station eine halbe
Stunde vor Dienstende blitzsauber.

    Â 

15.
    Der Himmel über dem Bochumer Blumenfriedhof war grau. Wolken
hingen dicht über den starren Zweigen der Pappeln, die hinter der Trauerhalle
aufragten.
    Jetzt im Winter ließen blattlose Bäume, welker Rasen und
matschige Erde den Friedhof trostlos erscheinen. Die Wege waren von
Reifenspuren zerfahren und das Pflaster vor der Trauerhalle moosbewachsen.
    Der Raum, in dem der Sarg aufgebahrt war, wirkte kahl und
klein. Ein paar schmutzige Bleiglasfenster sollten wohl Kirchenatmosphäre
schaffen, doch der blätternde Anstrich der Stahlrahmen und die Rostflecken
verbreiteten nur Hoffnungslosigkeit. Etwa zwanzig moderne, hölzerne Stühle, die
genauso gut in eine Küche gepasst hätten, waren in Fünferreihen aufgestellt.
Daneben ein Pult für den Pastor und einige mannshohe Nadelgewächse, in denen
weihnachtliche Lichterketten glitzerten.
    Als ich eintrat, waren die Stühle bereits besetzt und der
Pastor stand hinter dem Stehpult und ordnete seine Papiere.
    Ich lehnte mich seitlich neben den Stuhlreihen mit dem
Rücken an die Wand. Von hier aus konnte ich alle Gäste betrachten. Die meisten
kannte ich. Beinahe mein gesamtes Reinigungsteam war da. Svetlana fing hinter
einem Schleier, der von einem runden, schwarzen Hütchen herunterbaumelte, vorsichtshalber
schon mal an zu schluchzen, obwohl der Pastor noch kein Wort gesagt hatte.
    Weiter hinten erkannte ich Ramona, die sonnengebräunte
Sekretärin der Klinikmanagerin. Zu ihren rotbraunen Locken trug sie einen
Pelzmantel. Neben ihr saß ein breitschultriger, leicht übergewichtiger
Südländer. Er war Ende vierzig und hätte seine wilden, schwarzen Locken besser
siebeneinhalb Zentimeter kürzer getragen, dann wäre die sich allmählich
ausbreitende Glatze an seinem Hinterkopf nicht so aufgefallen.
    Abgesehen von einem Großteil des Klinikpersonals war anscheinend
nur Jannas Familie erschienen.
    Damit hatte ich den Punkt, an dem ich meine Ermittlungen
zur

Weitere Kostenlose Bücher