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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Minuten selbst zerstören!«,
begrüßt.
    Ich zog mir einen leeren Stuhl heran, setzte mich hin und
sagte: »Als Allererstes würde ich gern einen Kaffee trinken.«

    Â 
    Das Team bestand aus neunzehn MA – eine Abkürzung,
die ich in Frau Möllerings Beobachtungen inzwischen als die
geschlechtslose Bezeichnung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der
unpersönlichen Firmensprache identifiziert hatte. In der Reinigung handelte es
sich bei allen MA um Frauen.
    Weil ich beim Kaffeetrinken eine Kurzfassung meines erfundenen
Lebenslaufes ausplauderte, trauten sich nach dem ersten Schreck auch einige der
anderen Frauen, mir ein wenig über sich zu verraten.
    Die Erste, die zu reden wagte, war eine alte Muslima, die
den typisch türkischen Lagenlook trug: Drei bis fünf bodenlange Röcke, ein
weiter Pullover und ein buntes Kopftuch verhüllten ihre fünfzig Kilo
Übergewicht.
    Sie hieß Emine und hatte einen Nachnamen mit vielen ü-Lauten,
den ich nicht aussprechen konnte. Sie arbeitete bereits seit sechsundzwanzig
Jahren im Otto-Ruer-Klinikum, die ersten fünfzehn Jahre in der Küche. Im Rahmen
der Privatisierung der Klinik, bei der das Otto-Ruer-Klinikum in den Besitz des
deutschlandweit agierenden Klinikkonzerns Ephesos übergegangen war, hatte man die Küche geschlossen. Seitdem wurde das Essen
im Lkw angeliefert und von den vollautomatischen Essenswagen auf die Stationen
gebracht. Emine erklärte mir auch, dass die Roboterwagen mithilfe von Sensoren
den roten Streifen folgten, die überall auf den Flurböden klebten.

    Ein paar Mitarbeiter der Küche waren zu Serviererinnen
umfunktioniert geworden, die das fertige Essen verteilten. Die übrigen waren
wie Emine in andere Abteilungen versetzt worden. Und das Essen lieferte der
kostengünstigste Anbieter – zurzeit eine Großküche aus dem Erzgebirge. Die Krönung
der Personalreduzierung.
    Und die Erklärung für die Magentablette zum Essen.
    Dorothea, eine Deutsche Mitte vierzig, trug einen depressiven,
dunklen Mittelscheitel und die Mundwinkel ihrer schmalen Lippen zeigten sogar
nach unten, wenn sie sich um so etwas wie ein Lächeln bemühte. Sie hatte früher
als Kindergärtnerin gearbeitet, aber nach einer ausgedehnten Elternzeit keine
Anstellung mehr in ihrem Job gefunden.
    Dorothea war mit ihrem Schicksal nicht allein: Der Zahnarzthelferin
Bettina, der technischen Zeichnerin Gudrun, der Einzelhandelskauffrau Katinka
und auch der Bankkauffrau Marianne war es ähnlich ergangen, nur dass die
darunter nicht ganz so stark zu leiden schienen.
    Anastassja und Viktoria sagten zwar nichts, aber immerhin
trauten sie sich gegen Ende der Pause, mich verstohlen anzusehen. Schließlich
verließen alle Putzfrauen den Pausenraum, um sich wieder an die Arbeit zu
machen.
    Nur Svetlana blieb neben mir sitzen.
    Â»Du hast mal in eine Hotel gearbeitet?«, fragte sie nach
kurzem Schweigen.
    Â»Genau wie du die Desinfektionsmittel bestellt hast.«
    Weil ihr Deutsch nicht das beste war, dauerte es, bis sie
verstand, was ich meinte.
    Â»O ja«, bestätigte sie dann verblüfft. »Habe ich gemacht,
ja.«
    Wir grinsten uns an.

    Â 

14.
    Als Erstes drückte mir Svetlana das verhasste Telefon in die
Hand: »Du kannst sehen, wer anruft, wenn Anruf von eine andere Telefon im Haus
kommt. Und wenn du nicht drangehst, zeigt es Liste mit allen Anrufen, die du
verpasst hast. Du musst dann eigentlich zurückrufen.«
    Ich steckte das Diensttelefon in die Hosentasche zu meinem
eigenen Handy.
    Â»Deine Schlüsselkarte hast du«, Svetlana deutete auf die
weiße Plastikkarte, die an meinem Hals baumelte. »Im Schreibtisch wir haben
noch eine Ersatzkarte, eigentlich für Praktikanten und Aushilfen. Aber kannst
du auch benutzen, wenn du deine vergessen hast, damit nicht immer Kollegin
kommen und dir alle Türen aufmachen muss.«
    Nun, diese Karte lag mit Sicherheit nicht im
Schreibtisch, aber das war offensichtlich noch niemandem aufgefallen.
    Â»Die Urlaubsplan ist erledigt«, erklärte Svetlana weiter,
»du musst nur noch deine eigene Urlaub eintragen. Außerdem sind noch paar
Rechnungen gekommen. Und Ende Januar müssen wieder Zeugnisse gemacht werden.«
    Aha, die Stasiakten.
    Â»Da kannst du ja auch gleich zu die Schulung gehen! Die
ist nächste Woche, eigentlich ich sollte hin. Außerdem …«, Svetlana holte einen
kleinen Kalender aus der

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