Hämatom
Ich drehte den Kopf und sah die Infusion unter
einer Mullkompresse in meiner Armbeuge verschwinden.
Ich lag auf einer an die Wand geschobenen Behandlungsliege.
Es dauerte einen Augenblick, bis ich ein Stück entfernt
einen Schreibtisch entdeckte, dahinter die raumhohen, mit Büchern gefüllten
Regale.
Ich war noch immer in Gotts Büro.
Allein.
Wieso lebte ich noch?
Wieso hatte er mich nicht umgebracht?
Heià durchzuckte mich die Erkenntnis: Er war noch dabei.
Ich musste hier raus! Ich wollte mich aufsetzen, doch ich
kam nicht hoch.
War schon Feierabend? Suchte Danner nach mir? Ich musste
aus dem Büro, bevor Gott zurückkehrte. Wenn ich es bis auf den Flur schaffte,
würde mich jemand finden.
Verzweifelt nahm ich all meine Kraft zusammen und stemmte
mich auf die Seite. Doch da war die schmale Liege schon zu Ende â ich verlor
das Gleichgewicht und fiel.
Hart krachte mir der Boden ins Gesicht. Als Nächstes
schmeckte ich Fusseln an meinen Lippen, Stoff kratzte an meiner Wange. Ich
blinzelte und erkannte den dunkelroten Büroteppich. Ein pochender Schmerz
pulsierte durch meinen rechten Arm, beim Sturz war die Infusionsnadel herausgerissen.
Dunkles Blut tropfte auf den Boden.
Ich musste die Tür erreichen, egal wie! Gott konnte jeden
Moment wieder auftauchen und mich umbringen. Und ich wollte nicht sterben.
Nicht ausgerechnet jetzt!
Ich zog mich mit den Unterarmen vorwärts, mein Körper kam
mir zentnerschwer vor. Vor Anstrengung zitterte ich am ganzen Körper, dunkle
Punkte tanzten vor meinen Augen.
Ich musste zur Tür!
Meine Arme knickten weg, keuchend rang ich nach Luft,
mein Herz schlug noch immer unnatürlich langsam und heftig gegen meine Brust.
Die Tür war unerreichbar weit weg. Ich schaffte es nicht.
Â
Das Klacken des Türschlosses riss mich aus dem
Dämmerzustand, in dem ich auf dem Teppich lag.
Wie gelähmt verfolgte ich, wie Gotts Turnschuhe auf mich
zukamen.
»Was für eine Sauerei!«, fluchte der Arzt. »Und ich kann
nicht mal eine Schwester holen.«
Alles, was mir einfiel, war, mich bewusstlos zu stellen.
Er begann, irgendwo um meine FüÃe herumzuwischen.
In meiner Hosentasche vibrierte mein Handy lautlos.
Mein Handy!
Warum hatte ich daran nicht eher gedacht?
»Mist!« Vor meinem Gesicht landeten blutige Papiertücher
auf dem Boden. Gott ging in Richtung Schreibtisch. »Wo sind die
Desinfektionstücher?«
Jetzt oder nie!
Ich zog das Handy aus der Tasche. Ich lag auf dem Bauch.
Ich hatte keine Ahnung, ob Gott meine Bewegung sehen konnte.
Mein rechter Arm verkrampfte sich schmerzhaft.
Drei Tasten ⦠Ich musste nur drei Tasten drücken, um das
Adolf-Frühwarnsystem zu aktivieren â¦
Blut verschmierte das Display. Mit zitternden Händen
versuchte ich zu tippen. Meine Finger wollten mir nicht gehorchen. Ich tippte
noch mal, ohne dass etwas passierte.
Endlich erschien A in Gotts Büro als Text im
Display.
Gerade noch rechtzeitig hörte ich am Rascheln des Kittels,
dass Gott sich bewegte.
Mit der blutigen Rechten presste ich das Handy in meine
Haare, weil ich nicht wusste, wo ich es sonst verschwinden lassen sollte.
»Ich kann Ihnen versichern, schneller als ich besorgt Ihnen
niemand Heroin, Frau Ziegler. Es gibt immer einen hilfsbereiten Studenten unter
den Praktikanten. Die sind so dankbar, dass sie einen Platz bei mir bekommen
haben.«
Heroin?
Gott hockte sich neben mich auf den Boden, packte meinen
sauberen linken Arm und schob meine Bluse hoch.
Ich versuchte, um mich zu schlagen, schaffte es nicht.
Gott drückte mir ein Knie in den Nacken, presste mein Gesicht auf den Boden und
schob mir einen schmalen Gurt über die Hand, um mir den Arm für die Injektion
abzubinden.
Heroin!
Ich wollte schreien, bekam wieder nur ein Stöhnen zustande.
»Oh, Sekunde â¦Â« Gott stand noch mal auf.
Jetzt, jetzt, jetzt!
AFS !
Mit aller Kraft presste ich den Finger auf die Taste. Der
Apparat schickte die Nachricht mit leisem Piepen ab.
Im gleichen Augenblick packte Gott meine Hand. »Was ist
das?« Mit einem schmerzhaften Griff drehte er mir das Telefon aus den Fingern.
»Verdammtes Dreckstück!«, brüllte er wütend, als er Augenblicke
später begriff.
Zornig rammte er mir seinen Turnschuh in die Rippen. Die
Wucht des Trittes warf mich zur Seite. Keuchend krümmte ich mich zusammen.
»Wenn Sie gefunden werden, wird es zu spät sein!« Gott
nahm
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