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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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vom Körper, als die Sir e ne ertönte.
    Schichtwechsel.
    Frank schlenderte durch die gekachelte Halle auf mich zu.
    Er trug bereits seine Mütze aus Zellstoff, die wir benutzen mussten, damit die Ladies nicht durch unsere Haare verunre i nigt wurden.
    »So, ihr Luder, heute besorg ich es euch wieder richtig«, knurrte er und blickte zum Ende des Bandes, wo sie tot und bluttri e fend an ihren Stahlhaken hingen und sanft schwangen, als w ä ren sie in freudiger Erwartung.
    Frank studierte Religionswissenschaften, aber acht Euro Stu n denlohn hatten ihn, genau wie mich, der ich rein gar nichts studierte, zu einem Söldner des Fleisches gemacht: Einste m peln, das Hirn abschalten, im Akkord Rinder durch die Säge schicken, ausstempeln.
    »Ihr Rinderlein kommet ! U nd ob ich auch wandle im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unheil, de n n übermorgen ist Zahltag . U nd das w i rd auch Zeit.«
    »Amen, Mann«, erwiderte ich.
    Irgendwie konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass Frank dabei war, jede theologische Tendenz abzustreifen; auch wenn er stets meckerte und stöhnte , war ich mir sicher, dass er weit und breit der einzige hier war, der diesen Job gern machte.
    Frank drehte langsam seinen Kopf, und seine Wirbel knackten. Dann öffnete er die Schutzabdeckung der Kontrolleinheit und schaltete die Säge ein.
    »Du«, brüllte Frank durch das Jaulen des Sägeblattes und wies auf die Rinderleiche, die am nächsten hing, »bist meine Ballk ö nigin. Komm her, Süße.«
    Ich fragte mich, ob sich die Frau, die sich vielleicht morgen am Tiefkühlregal eines gewienerten Supermarktes eine Styropo r schale mit »Rindersteaks in Würzmarinade« griff, ahnte, wie dieses Leckerchen für Grill und Pfanne zurechtgesägt worden war.
    »Hau rein ! « , brüllte ich.
    »Rock n Roll!«
    Na sicher doch.
    Ich verließ Halle V ier und schnappte mir mein Fahrrad. Ich hatte eine Annonce aufzugeben, und nur noch fünfzehn Min u ten bis Redaktionsschluss.
     
    Der Kern der Anzeige war ziemlich klar formuliert:
    Suche Mitbewohner, Dortmunder Norden, 80 Qm, baufällig, aber günstig.
    Ich überflog das Ganze noch mal, bevor meine Mittagspause zu Ende war und ich mich wieder als Moses der heiligen Halle Vier betätigen musste, indem ich im Akkord Kühe zerteilte.
    Am Text gab’s nichts zu feilen: Die Wohnung war tatsächlich eine Bruchbude, aber sie war auch verdammt billig. – Für mich allerdings immer noch zu teuer.
    Meine Mitbewohnerin war ausgezogen, nachdem wir eine kle i ne Diskussion gehabt hatten, in der es um Gefühle und Geld gegangen war.
    Das Haus war vor dem ersten Weltkrieg erbaut worden. Z u stand und Optik der sanitären Anlagen sorgten dafür, dass wenn ich mal Besuch bekam, dieser nie lange blieb. Niemand wollte in die Verlegenheit geraten, in dem fensterlose n , nach Schimmel riechende n Raum seinen körperlichen Bedürfnissen nachzukommen.
    Nicht mal Studenten konnte ich anlocken, obwohl die eigen t lich ein Faible für billigen Wohnraum mit hohen Decken und kafkaesken Treppenhäusern hatten.
     
    Der Tag, an dem ich dann doch einen Mitbewohner bekam, war regnerisch und von verwaschenem Grau.
    Er rief an, und wir verabredeten uns für Neun.
    Aufzuräumen kam mir nicht in den Sinn.
    Die Wohnung war so gut wie unmöbliert, und es gab nichts zu beschönigen. Nur die bereits einsetzende Dunkelheit konnte hilfreich sein – zumindest im Treppenhaus, dessen Beleuc h tung stets kaputt war.
    Er erschien pünktlich; ein etwas schlampig aussehender Kerl um die Zwanzig, mit langen, vom Regen biberartig durchnäs s ten Haaren über einem sehr stoppeligen Gesicht.
    Sein Aussehen zerstreute meine Bedenken, dass ihn der Z u stand der Wohnung sonderlich stören könnte.
    »Hallo«, lächelte ich. »Komm rein.«
    »David«, sagte er, reichte seine nasse Hand rüber und ließ se i nen Beutel aufs Parkett klatschen.
    Ich bot ihm Filterkaffee an.
    »Viel Platz hier«, sagte er, während er sich umsah. Es klang ernsthaft interessiert.
    »Na ja … Es ist nicht das Ritz. Hält aber den Regen ab.«
    »Mir gefällt es. Was kostet der Spaß?«
    Der Preis schien okay zu sein, er stimmte sofort zu. Ich zeigte ihm seinen Raum.
    Er ging mit der Plastiktasse zum Fenster.
    »Man kann den Mond sehen«, sagte er und wies auf die kontu r lose, käsige Scheibe am Himmel.
    »Das ist der Vorteil des zweiten Stocks«, erwiderte ich. »Das, und dass man die ganzen Penner auf der Straße nicht sehen muss.«
    Er lachte laut auf.
    »Ist hier viel

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