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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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wie ein Herbststurm: A lles geriet in Bew e gung, wenn sie einmal in Fahrt war, und dann war es am b e sten , in Deckung zu gehen.
    Schwachkopf.
    Kleinkind.
    Trottel.
    Zigmal am Tag, wieder und wieder.
    Ich habe sie wirklich geliebt, aber manchmal war es einfach ein bisschen zu viel des G uten.
    Seit sie weg ist – tot, nennen wir es einfach beim Namen – ist es kalt um mich herum geworden; ein alter Körper scheint keine Wärme zu speichern, aber ich wüsste auch nicht, woher ich welche nehmen sollte.
     
    Ich schnitt ihr an einem Sommerabend die Kehle durch.
    Ich bin ein Mörder, sicher, aber letztlich ist es doch so: Wenn Ihr Verstand voll ist, und Sie nur noch Schlechtes hören wie ein Echo, das nicht verklingen kann, weil es in Ihrem Kopf wie ein Querschläger von Wand zu Wand prallt – was ist dann für diesen Verstand ein knapper Handstreich mit dem Kartoffe l messer? Ein sehr kurzer Weg durch Haut und Fleisch als Au s gang aus einem sehr langen Tal voller Worte, die genauso schneiden konnten.
     
    Ich bezahle Tag für Tag dafür.
     
    Seit sie fort ist, hat meine Neigung zu Automaten einen krit i schen Punkt überschritten, fürchte ich.
    Ein Kondomautomat – fünf Euro pro Packung! In den Sechz i gern kosteten die Dinger vier Groschen – zieht mich an wie ein Magnet.
    Die Lade für »Durex ungenoppt mit Reservoir« schnellt sel t sam forsch hervor, so als wüsste sie, das s man im besten Sinn entschlossen ist.
    In ihr liegt ein Finger, der Nagel unlackiert. Antonia machte sich wenig aus Kosmetik.
    Er ist grau, die Ränder ausgefranst wie nasses Papier.
     
    Ich war unfähig , mich zu bewegen, während Antonia über i h rem Strickzeug verblutete; ich sah einen dunkelroten Geysir, der durch die Hülse einer fahlen Frau im Hausanzug sprudelte.
    Ich konnte das Blut einfach nicht mit Antonia in Verbindung bringen, obwohl es, von ihrem Kinn abfächernd, bis unter die Zimmerdecke schoss – a nfangs zumindest.
    Das menschliche Hirn trennt manche Eindrücke einfach, damit man nicht überschnappt.
    Blut.
    Meine Frau, die Finger um einen Lappen verkettelter Wolle gekrampft.
    Zwei Bilder, nicht eins.
     
    Auf meiner Wanderung durch die Stadt s e h e ich noch einen Automaten, der Handykarten ausspuckt. Fünfzehn Euro, und ich besitze gar kein Mobiltelefon.
    Ein rechtschaffenes Surren, dann f ällt ihre Zunge in den Au s gabeschacht, verfärbt und geschwollen.
    Mir ist kalt.
    Der Winter ist hart dieses Jahr; ich wusste es schon im verga n genen Sommer.
    Ich nenne ihn den Sommer der Erlösung, aber als die ersten Herbststürme kamen , war mir klar, dass der Winter wirklich, wirklich hart werden würde.
    Weiter geht’s.
     
    Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er voller kalter Asche, als ich sie zerlegte.
    Einen Mord zu vertuschen kam mir eigentlich nicht in den Sinn . I ch wollte sie einfach nur nicht in der Küche haben.
    Eine drollige Beobachtung: Der Mensch, die Krone der Schö p fung, Erbauer der Weltwunder und geschaffen, sich alles and e re Leben untertan zu machen, passt im Prinzip in zwei Mayo n naise-Eimer.
    Es war Sommer, und der Tank unseres Ölofens war leer.
    Ich füllte ihn mit etwas, das keine Wärme zu erzeugen ve r mochte, noch nie.
     
    Ein Plakat zeigt mir, dass sie das neue Shopping-Center endlich eröffnet haben.
    Fünf Minuten zu Fuß, und die Welt bekommt ein Dach.
    Hier gibt es alles, und inmitten des Centers steht ein imposa n ter Brunnen, der den Winter in den Hintergrund plätschert.
    Hier ist es warm, nicht wie Zuhause.
    Ein neuer Automat saugt mich förmlich an, aber ich widersetze mich tapfer.
    Er ist riesig, bunt und von innen her strahlend erleuc htet.
    »Nike Beachball Machine«, glimmt dort in schwarzen Lettern, darunter
    »Echt Leder, 14,99 €«.
    Ich will keinen Ball, wirklich nicht, aber meine Hände tasten zitternd über die glänzende Fläche des Automaten.
    » Geldscheine bitte hier « , darunter ein schwarz er Schlitz, in Stahl gefasst wie die Lippen der Menschmaschine in »Metrop o lis«.
    Dumme, dumme Hand.
    Sie meint tatsächlich, wer ein Messer schwingen kann, hat mit Papier erst recht kein Problem.
    Oh ja , ich zahle noch immer dafür, und der Preis wird jedes Mal höher.
    Der Ausgabeschacht hat die Größe eines Schuhkartons, mind e stens.
    Davor ist eine Abdeckung aus transparentem Plexiglas.
     
    Ein bürokratisches Scharren in den Eingeweiden des Autom a ten, dann höre ich es rumpeln.
    Etwas rollt heran.

Der Mitbewohner
1
    Ich riss mir die dünne Plastikschürze

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