Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
den Inhalt , ein Rheumahemdchen aus Kaninchenfell. Ich kicherte und betrachtete die Kiste.
Die Größe war gut.
»So. Dann wollen wir mal, hm?«
Er nickte, und ich ließ knackend die Klinge des Teppichme s sers hervorschnellen.
»Vielleicht«, sagte ich und ging rüber zum Bett, »stimmt es Sie ja fröhlich, dass er heute Nacht bedeutend besser gelaunt sein wird.«
Er schüttelte den Kopf.
Er schüttelte ihn auch noch, als er das längst nicht mehr hätte tun sollen . Ich rutschte einige Male ab.
Meinen Karren ließ ich einfach auf der Station stehen.
Der Fahrstuhl brachte mich runter, und niemand behelligte mich. Warum auch? Stille war hier etwas völlig Normales.
Heute Nacht noch würde ich den Spätzug nach Wismar ne h men.
Auch wenn dieser Job nichts war, das man lieben konnte: Die Bezahlung war exorbitant, malte ich mir aus – und sah vor meinem geistigen Auge einen Beutel aus grobem Wildleder … und ein Leben, länger als die Zeit, wie wir sie kennen.
Es dämmerte bereits, als ich durch die Glastür nach draußen trat.
Abendluft, Abendduft.
Was für eine schöne Geschichte. So pathetisch.
Wir schworen, uns gegenseitig zu beschützen, aber wir erwähnten mit keinem Wort die anderen, die allein und schutzlos von der Kreatur hei m gesucht wurden, die ich auf das Schiff gelassen hatte. Einer würde immer in der Nähe des anderen sein.
Ich Trottel! Fast hätte ich es versaut ! M anchmal konnte ich nur den Kopf über mich selbst schütteln.
Das Abendessen war durch; gerade schob eine der netten, ju n gen Pflegerinnen eine Stahlkarre mit Geschirr davon.
Der Oberst spielte noch immer Karten gegen sich selbst, als ich eintrat und die Styroporbox schwenkte.
»Gollek, Sie alter Teufelskerl. Ich habe da gerade eine unglau b liche Geschichte gehört. Na? Haben Sie ihren Säbel im Schrank? Alter Husar?«
Ich riss mich zusammen und kam zum Thema: »Sie erraten nie, was ich hier in der Box habe.«
Er blickte mich an, und in seinen Augen war keine Hoff n ung.
Das mit dem Spätzug könnte knapp werden.
Berechtigter Münzeinwurf
Der Kaugummiautomat hat meine 50 Cent gern genommen, soviel steht fest.
Seit meiner Kindheit haben sich diese Dinger nicht verändert: D u wirfst eine Münze ein und drehst den kleinen Hebel; dieser öffnet einen unsichtbaren Schacht, während er ein Geräusch produziert, das typisch für die Reibung von Metall auf Metall ist.
Manchmal klang es auch wie Metall auf Sand , dann hatte sich ein Kind mit schmutzigen Griffeln oder bösen Absichten an dem Automaten zu schaffen gemacht, aber wenn man kräftig war, bekam man trotzdem was für sein Geld.
Man musste nur etwas mehr dafür arbeiten.
Du bekommst auch nicht nur einen Kaugummi.
Eine Plastikkapsel begleitet die süße Kugel; sie roll t mir durchs Dunkel entgegen, st ö ß t dann gegen die stählerne Zunge.
Klick – Klick.
Und dann kommt der Zauber ans Licht; mal ein Ring – billiges Blech, aber eine Überraschung, keine Frage – , mal ein lauer n der Plastikindianer oder ein kleiner bunter Kreisel.
Aber nicht für mich.
Als ich meinen Fünfziger einwarf, nahm der Automat ihn gern; reibungslos, beinahe gierig drehte sich der kleine Hebel ; es kostete keine Anstrengung, ihn zu betätigen.
Dann hörte ich ein leises Pochen an der Innenseite der stähle r nen Zunge.
Was mir in die Handfläche f ällt , ist ein nasses, trübes Auge.
»Dein kindliches Gemüt bringt mich noch ins Grab«, hat meine Frau immer gesagt, wenn ich etwas tat, das man bei einem Mann meines Alters nicht erwartet . A ber ich mag einfach diese Automaten: Bunte Bagger auf dem Jahrmarkt, die Plüschtiere aus einem Wust von ihresgleichen fischen, wenn man eine r u hige Hand hat; Flipper, die stählerne Kugeln durch ein kleines, blinkendes Universum schießen – diese Geräusche! –; Zucke r wattemaschinen, die ein wildes Knäuel drehen, als wäre eine große aber drollige Spinne am Werk, eifrig in ihrer Verrück t heit.
Verrückt.
Auch ein beliebtes Kleinod aus dem Wortschatz Antonias. Nur , dass sie es n icht wirklich zärtlich benutzte. W enn sie es sagte, spie sie es mir ins Gesicht.
Vielleicht liegen die Wurzeln meiner Begeisterung in meiner Kindheit . M eine Eltern hatten nicht viel Geld, und so waren Überraschungen selten.
Möglich, dass mich auch einfach nur die Technik, diese M i schung aus Mechanik und Aha-Effekt hinreißen . I ch habe nie darüber nachgedacht. Antonia auch nicht.
Antonia.
Sie war eine Frau
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