Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
Bauholz, wobei er versuchte, das Gleichgewicht zu halten.
Ihm war speiübel.
Heute war eigentlich sein freier Tag, aber er hatte einen Anruf aus der Zentrale erhalten.
»Sie haben eine Sonderabholung in der Gartenabteilung, Herr Röcken«, hatte der Mensch aus der Zentrale gesagt, »also seien sie bitte vor Ort. Das Ganze ist wichtig.«
Was konnte an der Abholung eines beschissenen Gartenartikels so wichtig sein, dass man ihm das Wochenende versaute?
Röckens Wochenendplan sah meistens vor, sich Samstags wie Sonntags die Kante zu geben, immer schön weg vom Körper, kein Erbarmen, volles Programm.
Er hatte nicht vor gehabt, wegen eines spontan geplatzten fre i en Tages mit dieser Routine zu brechen, weswegen er sich jetzt – vorsichtig ausgedrückt – wie ausgekotzt fühlte.
Röcken war eine schwankende, saure Alkoholschwaden abso n dernde Travestie eines Baumarktverkäufers.
Aber er war da, immerhin.
Er musterte erneut das Ding, das irgendwann heute abgeholt werden sollte.
Irgendwie komisch war das Teil schon.
Es wirkte wuchtig und schwer, obwohl das kaum sein konnte: Dinge dieser Art waren immer aus hohlem Gussmaterial. A u ßerdem wirkte es auf nicht festzumachende, aber bestürzende Weise hässlich.
Was aber schlimmer war: E r erinnerte sich weder, diesen Art i kel bestellt zu haben, noch wollte sich ein in Frage kommender Hersteller abrufen lassen. Heute M orgen stand dieses potthäs s liche Teil einfach in der hintersten Ecke seiner Abteilung, und – eimerweise Jägermeister oder nicht – er konnte sich nicht entsinnen, schon mal damit zu tun gehabt zu haben. Hatte die Zentrale es Sonntag anliefern lassen?
Scheiß drauf, dachte er, sollen sie es holen und dann klink ich mich hier aus.
Er schaute auf die Uhr.
Elf Uhr Zweiunddreißig.
Er hätte jetzt gern was getrunken.
6
Der Goldsaal war leer; soeben arbeitete sich ein mit Wischmop bewaffnetes Team Putzfrauen über das Parkett.
Straelen hatte sich vier Leute gekrallt und die gesamte Bestu h lung in einen angrenzenden Raum geschafft, der nun zum Be r sten voll war; ein hartes Stück Arbeit.
Die Sache hatte nur einen Schönheitsfehler: D ieser Raum war eher eine Art Durchgang, der eigentlich dafür gedacht war, die Leute im Falle gewisser Probleme aus der Halle und auf die Parkplätze zu schaffen.
Der verdammte Notausgang war jetzt bis unter die Decke mit Holzstühlen zugestopft.
Obwohl sein Boss über diese Neuigkeiten nicht besonders erfreut wirkte, notorischer Nörgler, der er war, hatte er doch eine seiner typischen „scheißegal“-Handbewegungen vollführt.
»Wenns heute schief geht, sind Notausgänge unser kleinstes Problem. Wie sieht’s denn mit den Sicherheitsleuten aus?«
»An jedem der drei Eingänge einer«, erwiderte Straelen, »gute Leute. Astreiner Leumund, brandneue Agentur, hochmot i viert.«
Richthoven zog die Brauen hoch.
»Neue Agentur?«
»Sie wollten doch Kerle wie Kleiderschränke. Die d rei sind zwar verhältnismäßig alt – ich schätz mal um die fünfzig oder so – aber clever. Und schweigsam«, fügte er hinzu.
Straelen erwiderte den abschätzenden Blick seines Chefs kühl.
»Wann kommen die Stars für Halle Zwei?«
Straelen blätterte in einem Ringordner.
»Gegen Sechs. Die meisten steigen in der Innenstadt ab oder fliegen danach direkt wieder nach Hause. Es sind … Moment … genau einundzwanzig Künstler. Die Halle … «
» … ist zu klein , das ist mir auch klar. Aber Halle Eins ist ve r dammt zu nah an unserer Veranstaltung heute«, ergänz t e Richthoven nicht unfreundlich.
»Wir sind voll im Plan.«
»Na ja … I hr Wort in … hm , S ie wissen schon«, murmelte Richthoven, wies dabei mit dem Zeigefinger in die Luft und brach dann die Geste ab.
»Wird alles glatt gehen, Chef.«
»Das hoffe ich für Sie«, entgegnete Richthoven.
Und für mich auch, dachte er im Stillen.
Zwölf Uhr zehn.
Noch etwas weniger als neun Stunden.
7
»Das Talent« parkte den dunklen VW-Transporter auf dem Behindertenparkplatz.
Dann öffnete er das Handschuhfach und wühlte sich durch eine Kollektion von Presseausweisen, Reisepässen und Schi l dern, auf denen » Eilige Bluttransporte « oder » Catering « stand. In der hintersten Ecke sah er die Plastikkarte mit dem Pikt o gramm eines Rollstuhlfahrers, fischte sie heraus und legte sie aufs Armaturenbrett.
»Kosmos-Baumarkt«, las er über dem Eingang seines Ziels.
Darunter: » Nehmen Sie es selbst in die Hand! «
»Das werde ich. Aber sicher
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