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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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einer neuen Ära.
    Benni n g hoffte trotzdem von ganzem Ausstatterherzen, dass der Anzug die Nacht der Wiederkehr überstehen würde.
    Seine Hand wollte einem nicht klar gedachten Gedanken fo l gen und den Hörer ergreifen, um seine Familie anzurufen. Er brach diesen Vorgang ab, und stellte ärgerlich fest, dass ihm das sehr schwer fiel.
    Die stählerne Uhr auf seinem Schreibtisch zeigte Dreizehn Uhr sieben.

9
    Röcken zog die Karre durch die Sanitärabteilung.
    Das war der längste Weg, den man nehmen konnte, wenn man zurück in den Außenbereich wollte, und der riskanteste obe n drein. Tickte man mit einem Hubwagen gegen ein Waschbe c ken von Villeroy & Boch, konnte man die folgende Gehaltsa b rechnung dazu benutzen, seinen Hamsterkäfig auszulegen.
    Trotzdem hatte Röcken es nicht eilig, ganz und gar nicht. Er fühlte sich ausgelaugt und war sich selbst in den wenigen Min u ten seines Spaziergangs Richtung Kassenbereich fremd gewo r den.
    Sein Brummschädel war ebenso in den Hintergrund getreten wie seine gute Laune in Erwartung eines frühen Feierabends, und hatte einer Art Instant-Depression Platz gemacht, die ihn langsam und traurig hatte werden lassen.
    Er sah an sich herunter und bemerkte, dass er schlurfte.
    Wenn das Leben so sein kann, dachte er, möchte ich nichts damit zu tun haben.
     
    Der schwarze Mann hingegen hatte seine Sternstunde erlebt.
    Als er in der Gartenabteilung wieder die Augen geöffnet hatte, hatte sich der Anblick des Relikts in sein Bewusstsein gebohrt, um es nie wieder zu verlassen.
    Er war langsam hinübergegangen und hatte sich hingekniet, darauf achtend, dass es für andere Besucher des Geländes nicht allzu devot aussah.
    Jetzt kniete er noch immer.
    Das Relikt stand auf einem guten Quadratmeter quietschgr ü nem Kunstrasen.
    Das Licht der Mittagssonne vermochte es nicht komplett au s zuleuchten, zumal es entweder absichtlich oder instinktiv in eine schattige Ecke der Anlage gestellt worden war.
     
    Es war ein steinerner Gartenspringbrunnen.
    Er war fast mannshoch, tief schieferfarben und ruhte auf einer massiven Säule, die reliefartig mit Ornamenten verziert war. Aus der Mitte der Schale, die schwer auf dem Sockel ruhte, wanden sich vier stählerne Rohre, und an den Rändern des Beckens hockten versteinerte Abbildungen von Tieren, die Vögel sein mochten, oder Fledermäuse – oder etwas ganz a n deres.
    Die echten Vögel allerdings, die – spatzenhirnig wie sie waren – versucht hatten, in das Becken zu scheißen, lagen tot am Fuße des Sockels.
    Obschon das Relikt erst seit kurzer Zeit dort stand, waren die Tiere beinahe vollständig verwest.
    »Welcher Geniestreich«, flüsterte der Mann.
    Die Fertiger dieses Gefäßes hatten diesmal Weitsicht und H u mor gezeigt.
     
    Es war eine düstere Parodie des heiligen Grals, ein Behältnis, das die Essenz des Vaters beherbergte, und der Vater war kein Freund gefiederter Wesen.
    Der Mann, dessen auf dem Boden ruhende Mantelschöße ihm selbst den Anblick eines riesigen Raben verliehen, erinnerte sich:
    Das Relikt war vor zweitausend Jahren erschaffen worden und hatte seitdem alle paar hundert Jahre die Form gewechselt.
    Das war erforderlich gewesen, weil die Jagd nach dem Relikt – einen anderen Begriff gab es a ufgrund der gelegentlichen Formänderung nicht – erbarmungslos war, und sobald die Spione des Vatikan wussten, welche Form es hatte, wurde sie geändert.
    Es war unter anderem e in Fabergé -Ei, eine japanische Schmuckschatulle und sogar für volle siebzig Jahre ein Waffe n schrank im Besitz einer amerikanischen Familie gewesen.
    Brüder rund um den Erdball waren mit nichts anderem b e schäftigt, als zu recherchieren, Rituale durchzuführen und auf die Zeichen zu achten, aber es hatte immer nur zur Besti m mung der Form, nicht des Standortes gereicht.
    Aber diesmal war die britische Bruderschaft der Endgültigen Kirche des Vaters schnell gewesen. Sie hatten die Form deuten und entschlüsseln können, dabei allerdings zuerst auf einen See getippt und dann auf einen gemauerten Brunnen . W as immer noch absurd genug war, denn das Relikt war stets transport a bel.
    Die en d gültige Eingrenzung verdankten sie dann zu allem Übel nicht dem penibel durchgeführten Blutorakelritual, sondern einer ziemlich veralteten Verifizierungssoftware aus dem Inte r net.
    Egal . W eder war der Weg das Ziel, noch stellte sich Form über Inhalt, wie den Satzungen der Bruderschaft zu entnehmen war. Sie hatten es geortet, und das reichte.
    Der

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