Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
Vom Netzwerk:
der Geschichte der Mensc h heit.
     
    Man hatte das Relikt entdeckt.

2
    Zu dieser Zeit stand Herr Benning bereits in seiner Abteilung.
    Sein Blick schweifte kritisch über die Bata l lione wie absichtslos hängender und doch perfekt ausgerichteter Jacketts.
    Dann inspizierte er die so genannte Hosenwand, indem er an der langen Reihe aufgehängter Beinkleider vorbei schlenderte, um hier und da eine einzelne Hose zurück in Reih und Glied zu fingern. Die große Fläche edler Auslegeware war gesaugt, die Verkäufer an ihrem Platz nahe des Aufgangs, um Kunden zu empfangen; alles arrangiert und sauber.
    Neun Uhr Dreißig.
    Seine untersetzte Gestalt straffte sich.
    Auch heute würden die Umsätze stimmen; im Prinzip taten sie das immer.
    Seine Verkäufer würden ausschwärmen, Kontakt aufnehmen, umgarnen und beraten.
    Sie würden empfehlen, suggerieren und schlussendlich verka u fen, so wie immer.
    Louis Vitton, Armani, Gucci, Rene Lezard: Alles , was gut und teuer war, landete auf dem Edelholzverkaufstresen, durchlief dezent summend das Kassensystem und verschwand dann in eleganten Papiertüten.
    Hunderte Männer, die gut, aber niemals gut genug gekleidet waren, würden Tausende Euro in diesem Tempel des guten Geschmacks lassen – bis zur nächsten Saison.
    Dann kamen sie wieder, denn auch wenn sie edel und teuer gekleidet waren, haftete ihrer Garderobe doch schon bald der Makel der »letzten Saison« an; die Offensichtlichkeit, »alte« Kleidung zu tragen, würde sie hier her zurück führen.
    Aber Benni n g, der schon oft über diesen Kreislauf nachg e dacht, und sich daran erfreut hatte, konnte sich heute nicht recht konzentrieren.
    Irgendwann in den nächsten Stunden würde einer der Brüder erscheinen, um ihm die eine Frage zu stellen.
    Benning würde ihm diese Frage beantworten, und der Mann würde wieder gehen – aber alles wäre danach anders.
    Möglich, dass dies hier die letzte Saison war .
    Er schritt zum Fenster und warf einen Blick hinunter auf die Einkaufstraße.
    Er hielt nach nichts S peziellem Ausschau, vor allem nicht nach dem Mann, auf dessen Ankunft er brannte, um seinen Teil des Plans zu erfüllen.
    Er würde ihn erkennen, dachte er, so sicher wie das Amen …
    Sein Gesicht verzog sich.
    Benni n g betrachtete die Menschen fünfzehn Meter weiter u n ten, die durch die Gegend wuselten, ihren Geschäften nachgi n gen oder einkauften, ahnungslos und ohne Plan.
    Er sah hinauf zur Sonne.
    Er flog gern auf die Malediven, und er bräunte sich gern, aber er glaubte nicht, dass sie ihm fehlen würde.
    So oder so , er würde seinen kleinen, aber wichtigen Teil zur Erfüllung des Plans erbringen.
    Also blieb er an seinem Platz, beobachtete seine Berater und wartete.

3
    »Die Sicherheitskräfte sollen vor allen Ausgängen präsent sein, aber ich will keinen von ihnen sehen. Und räumt die Stühle aus der Halle«, sagte Richthoven.
    Sein Gesicht war nass geschwitzt.
    »Und noch was«, fügte er an, »um Zwanzig Uhr Elf ist So n nenuntergang. Um spätestens zwanzig Uhr dreißig sind alle drin. Früher wäre mir sogar noch lieber. Wer zu spät kommt, in den Gängen rumläuft oder pissen geht, hat Pech gehabt. Ist das angekommen? Und ich will keinen Stress . D iese Top - of - the - Pops-Geschichte läuft ganz easy in Halle Zwei und Ende.«
    »Ist angekommen, Chef«, sagte der dünne Mann, der wie ein Skater gekleidet war.
    Er war bereits dreißig, aber er trug dieses Zeug, formlose Jeans und bizarr gemusterte Shirts, weil er dachte, dass »Kreative« so gekleidet sein müssen. Sein Haar lichtete sich, und Richthoven, der Chef der Dortmunder Westfalenhallen mit seinem opule n ten Haarschopf, registrierte das täglich aufs neue. Straelen, sein Eventmanager , war gut, schon, aber seine äußerliche Ersche i nung war urbanes Flickwerk; er fand, der Kerl sah aus, als hätte man den Kopf eines Bürokraten auf den Körper eines schre i end bunten Teenagers montiert.
    Heute Abend würde das keine Rolle mehr spielen, befand Richthoven.
    „Schade, dass es nur im Goldsaal stattfindet, Chef“, sagte der Eventmanager.
    Er wusste zwar nicht genau, was für eine Veranstaltung das eigentlich werden sollte, so spät am Abend, aber wenn die Show wirklich so wichtig war, wäre die große Halle angebrac h ter gewesen. Richthoven hatte das verneint und darauf hing e wiesen, dass die Veranstaltung – es schien eine Art Kongress zu sein – von einem elitären Kreis besucht werden würde : B e gütert, aber konservativ. Außerdem

Weitere Kostenlose Bücher