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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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Moderator mit dem Obstnamen führte Pärchen z u sammen, von denen einer wahrscheinlich die Zahnpastatube nicht zugeschraubt hatte, und ich saß da und hörte in meinem Kopf meine persönliche Sinfonie des Grauens . E ine gerappte Endlosschleife von W arum ist sie einfach abgehauen , mit musikal i scher Untermalung von A re you lonesome tonight in einer Marylin - Manson-Version.
    Erwähnte ich, da s s ich keinen Job hatte?
    Sie hatte es immer verurteilt, mich auf der Couch sitzen zu sehen, wenn sie nach Hause kam. Ich war immer da.
    » Such dir nen verdammten Job! « , hatte sie immer gesagt.
    » Das hier ist mein verdammter Job « , hatte ich stets erwidert. » Hast mir gefehlt, Prinzessin, wie war dein Tag? «
    Das hatte meistens geholfen.
    Ich bin nicht für jede x-beliebige Sorte von Arbeit geschaffen, wie sie meinen geschliffenen Formulierungen sicher entne h men können, hm?
     
    Ich saß noch einige Stunden gelähmt herum, bis mich diese mitternächtliche Unruhe erfasste; das war die Zeit, in der ich sie am meisten vermisste.
    Ich brauchte entweder sofort, auf der Stelle, einen Job im Vo r stand eines großen Herrenmagazins oder so was – oder eine Flasche Jack.
    Da ich ja das Telefon zur Vermeidung irgendwelcher lukrativer Jobofferten vom Playboy aus der Wand gezogen hatte, begann ich mein Geld zu suchen, um eine oder zwei Therapiestunden bei Mr. Daniels zu buchen. Ich war mir ziemlich sicher, meine Barschaft in den Taschen einer meiner schmutzigen Hose n zu finden, und da ich mein Geld immer mit mir herum trug, mus s te ich nur die Jeans finden, die noch den Gürtel durch die Schlaufen gezogen hatte.
     
    Es war da, und es reichte. Es würde sogar ausreichen, um mir noch eine Tüte Chips zu kaufen.
    Das tat ich immer, um mir selbst und den Leuten am Kiosk vorzugaukeln, ich würde mir einen gemütlichen Abend zu m a chen. Vielleicht säße finanziell sogar noch die Samstagsausgabe des Reviermarkts dran. Nach einem Job zu suchen erschien mir gerade passend und nicht ganz so abwegig, da ich meine Ve r zweiflung in irgend einen kreativen Kanal lenken wollte. Mir war klar: W ürde ich angetrunken ein passendes Inserat finden, wäre die Motivation, anzurufen, bis Montag morgen wieder verpufft – ausgeschwitzt mit den üblichen alkoholischen Rüc k ständen . A ber an diesem Abend erschien es mir w ie eine gute Idee.
    Dann fiel mir ein, das s es Samstag Abend war, und ich meinen Freund Jack an einer Tankstelle abholen musste. Das ließ kein Budget für Chips zu. Tankstellen waren nichts weiter als in Kunstlicht getauchte Preisverdoppelungsinstitute.
    Wenn Tankstellen die Preise für Zigaretten bestimmen kön n ten, wäre selbst Lungenkrebs eine Erfahrung, die nur die ob e ren Zehntausend machen würden. So oder so , ich hatte kaum eine Wahl.
    Jack wartete.
    Ich schlüpfte in meine Boots, trat auf die Straße und atmete tief ein.
    Die Luft war lau; nicht unbedingt aromatisch, obwohl der Fr e denbaumpark in Rufnähe lag, aber gut zu atmen und auf n o stalgische Art erfrischend. Sie erinnerte mich an abendliche Nachhausewege, als ich noch ein Kind war.
    Zur Tankstelle war es nicht wirklich weit, wie ich wusste, o b wohl ich kein Auto fuhr und deswegen noch niemals das G e lände der Tanke betreten hatte. Für mich war sie immer nur ein greller Fleck im Augenwinkel gewesen, wenn wir aus dem Kino kamen. Ich war längst durch den Sumpf des Selbstmitleids gewatet, und es war ein beschwerlicher Weg gewesen, aber die kühle, analytische Qualität des Verlustgefühls in diesem M o ment traf mich hart.
    Ich passierte die Schaufensterscheibe einer Änderungsschne i derei, und sah kurz mein eigenes Spiegelbild.
    » Sehe ich gut aus? « , hatte ich die Liebe meines Lebens gelegen t lich gefragt, meistens, bevor wir auf irgendeinen Geburtstag oder eine Party gegangen waren.
    Sie hatte dann immer den Kopf schief gelegt und gelächelt, hinreißend, wie sie war.
    » Gut genug, mein Lieber. «
    Ich fand mich in diesem Moment nicht sonderlich gut auss e hend, nicht mal »gut genug«.
    Ich nehme an, Minderwertigkeitskomplexe gesellen sich immer zu den üblichen Liebesleiden, aber ich musste mir selbst eing e stehen, da s s ich wahrhaft beschissen aussah. Mein Gesicht war von einer Blässe, die mich fast durchsichtig erscheinen ließ, und ich hatte Tränensäcke von dämonischen Ausmaßen, auf die ich noch treten würde, wenn ich nicht A cht gab.
     
    Als ich die Straßenbahnschienen an der Mallinkrodtstraße überquerte, sah ich die

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