Hände weg vom Abendschatten!
Zweck der Betriebsamkeit: „Hier entsteht ein Kinderspielplatz, unseren jüngsten Mitbürgerinnen und Mitbürgern gewidmet von der Firma Hafner-Babynahrung.“
„Nur damit du den Unterschied verstehst, Markus“, sagte Tante Mona. „Diese wackeren Babynahrungshersteller tun was Vernünftiges und gackern laut, wie eine Henne, die ein Ei gelegt hat. Das ist erlaubt. Diese Werbung finde ich okay. Seht her, wie gut wir sind, wir bauen euch einen Spielplatz. Unterschrift. Aber die Morthand sponsert nicht öffentlich. Sie fürchtet, man könnte ihr vorwerfen, dass sie sich die Leute kauft. Sie geht weder mit ihren Plänen noch mit ihren Spenden an die Öffentlichkeit. Alles geschieht geheim. Und da soll man nicht auf die Idee kommen, dass was faul ist? Morthand spricht zwar seit Jahren von einer offenen Information der Bürger, aber sie hält sich nicht dran. Übrigens hat mich heute früh eine Frau der Bürgerinitiative angerufen. Der vom Verein beauftragte Verwaltungsrechtler hat festgestellt, dass ein Genehmigungsverfahren für die Steinbrucherweiterung unter Ausschluss der Öffentlichkeit nicht rechtens ist!“
Sie fuhr weiter bis zur Nikolauskirche und bat Marie-Theres, Markus zu dem holzgeschnitzten Nikolaus zu führen, kenntlich an den drei Äpfeln auf dem Buch in seiner Hand. „In den Orten entlang der Flüsse hat man früher viele Nikolauskapellen erbaut. Er scheint unter anderem auch Patron der Schiffer zu sein. So genau kenn ich mich da nicht aus. Aber ich habe einmal mit Vergnügen gelesen, dass dieser Bischof zu seiner Zeit den korrupten Mächtigen auf die Finger geklopft hat. Ein sympathischer Bursche, der Nikolaus! — Seht ihr die sonnige Bank da neben dem Brunnen? Dort warten wir auf euch, Theodor und ich.“
Als Markus später aus dem dunklen Kirchenraum auf den sonnengrellen Platz trat, musste er die Augen zukneifen. Tante Mona hingegen schien das gleißende Licht nichts auszumachen. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und starrte zum Kirchendach hinauf. Dort oben funkelte ein goldener Wetterhahn. Als die Kinder zu ihr traten, sagte sie: „Ich habe eben was gelernt. Der Mensch soll seine Augen nicht nur in Bodennähe schweifen lassen, in Zementhöhe sozusagen, sondern auch zum Himmel aufblicken. Das habe ich in den letzten Wochen selten getan, und so ist mir entgangen, dass der Hahn wieder da ist! Im zweiten Weltkrieg ist er beschädigt worden, aber bis jetzt war kein Geld da für die Renovierung... Schön, dass er wieder da oben sitzt!“ Plötzlich runzelte sie die Stirn. Im selben Augenblick ließ Theodor ein missvergnügtes Schnaufen hören. „Bis jetzt war kein Geld da, aber nun...“ Sie sprang auf, eine beachtliche Leistung, wenn man ihr Alter und ihre Körperfülle bedachte, und marschierte auf ein hübsches efeubewachsenes Haus neben der Kirche zu. Es beherbergte das Pfarramt. Kinder und Hund im Gefolge, betrat Tante Mona das Büro und lobte den renovierten Hahn. „Toll, wie der glänzt! Ich bin zwar eine Evangelische, aber ich freue mich mit euch und möchte gratulieren!“
Eine ältere Angstellte blickte freundlich von der Schreibmaschine hoch. „Echt vergoldet! Hat auch 16 000 Mark gekostet, die Renovierung!“
Eine zweite, jüngere Mitarbeiterin räusperte sich laut, aber Tante Mona pfiff bereits anerkennend und fragte: „Da hat wohl irgend so ein edler Gönner die Spendierhosen angehabt?“
„Ja, die Mo-“, begann die ältere Frau lächelnd, aber die jüngere fuhr dazwischen: „Der Spender wünscht, nicht genannt zu werden!“
„Es gibt eben auch bescheidene Leute, die im Verborgenen Gutes tun“, sagte Tante Mona mit einem Gesicht, das dem Gesicht ihres Dackels in dessen verdrießlichsten Momenten ähnelte. „Guten Tag!“
Sie aßen in der Pizzeria, wo Tante Mona gut bekannt war und vom Besitzer freundschaftlich begrüßt wurde. Markus entnahm dem Gespräch, dass er Mitglied des Vereins für die Erhaltung der Bornheimer Höhe war. „Wissen Sie schon den neuesten Morthand -Streich?“, fragte er, als er persönlich Salat und Pizza servierte.
„Den goldenen Hahn?“, fragte Tante Mona zurück.
„Hahn? Wieso Hahn? Ich meine die Tatsache, dass uns Dr. Rauch, unser zweiter Vorsitzender, verlassen hat. Ihm wurde ein äußerst einträglicher Posten in Düsseldorf angeboten, und er hat angenommen. Er wird mit der Familie noch vor Schulbeginn umsiedeln. Seine Frau und die Kinder sind traurig, aber er hat gesagt: Wir bleiben dem Rhein treu, und so eine Chance krieg ich
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