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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Beruhigendes, Heimisches, es gab ihm das Gefühl, einem gewohnten Tagesablauf zu folgen, in dem es Zeit für ruhige Momente gab. Also reine Selbsttäuschung, die aber für den Augenblick funktionierte.
    Als der Becher leer war, zog er sich seine Arbeitskleidung an und ging auf den Hof hinaus. Die Hälfte der Boxen musste noch ausgemistet werden, das war genug Arbeit bis in den späten Nachmittag. Arbeit, bei der er nicht denken musste, sich aber verausgaben konnte. Er hatte die Scheune noch nicht erreicht, da fiel ihm auf, dass er allein auf dem Hof war. Die Personenschützer waren von der Beerdigung, wohin sie Saskia und ihn begleitet hatten, nicht mit zurückgekehrt. Er hatte sie bislang überhaupt nicht vermisst. Merkwürdig war es trotzdem. Sollte er Derwitz anrufen?
    Darüber nachzudenken erübrigte sich in derselben Sekunde. Ein Wagen kam um die Kurve, fuhr unter dem Torbogen
hindurch und hielt mitten auf dem Hof. Heute trug Derwitz keinen Mantel, sondern zu einer schwarzen Hose ein kurzärmeliges, schwarzes Hemd. War er auch auf der Beerdigung gewesen? Sebastian hatte ihn zumindest nicht gesehen.
    »Herr Schneider«, sagte er zur Begrüßung und streckte die Hand aus.
    Er wirkte aufgeräumt und jovial, ganz anders als sonst. Sebastian argwöhnte sofort, dass etwas im Busch sein musste. Typen wie Derwitz änderten sich nicht, es sei denn, sie versprachen sich einen Nutzen davon. Sebastian ergriff die Hand und schüttelte sie kurz.
    »Haben Sie ein paar Minuten Zeit und eventuell einen Kaffee für mich?«, fragte Derwitz.
    Also gingen sie wieder ins Haus, und Sebastian kochte erneut Kaffee. Er setzte sich zu Derwitz an den Tisch.
    »Gibt es etwas Neues?«, fragte er den Kommissar.
    »Schon, aber leider nichts Erfreuliches. Zum einen natürlich die Tatsache, dass es bisher, obwohl vierzehn Tage vergangen sind, keine Spur und kein Lebenszeichen von Ellie Brock gibt. Es fällt uns schwer, dies einzuschätzen. Ist sie tot? Ist sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden? Oder ist sie gerissen genug, sich so lange in der Nähe versteckt zu halten? Ich glaube nach wie vor, dass sie bei der Flucht ums Leben gekommen ist, was aber noch zu beweisen wäre. Und eben weil es so lange keine Vorkommnisse mehr gegeben hat, hat der Polizeichef gestern beschlossen, Ihre Bewachung vorerst abzuziehen, leider.«
    »Aha«, machte Sebastian und wusste nicht, ob er sich darüber ärgern oder freuen sollte.
    »Sie dürfen das nicht missverstehen. Natürlich wird nach wie vor mit Hochdruck an Ihrem Fall gearbeitet, aber wir
haben für eine noch länger andauernde Bewachung weder die personellen noch die finanziellen Mittel. Ab morgen wird jeder verfügbare Beamte für den Castortransport benötigt. Die Situation ist schwierig, ich kann Ihnen leider keine besseren Nachrichten überbringen.«
    Derwitz hob seine Kaffeetasse und trank in kleinen Schlucken. Sebastian drehte seine in den Händen hin und her und suchte nach Worten. Eigentlich wollte er sich überhaupt nicht mit Derwitz unterhalten, mit niemandem, er wollte nur in den Stall und Mist schaufeln, die Welt für eine kurze Zeit lang vergessen. Alles andere war viel zu anstrengend. Dennoch – ihm lag eine Spitze auf der Zunge, die er nicht hinunterschlucken konnte. Sie musste raus!
    »Und mit meinem Ausritt hat das nichts zu tun?«
    Derwitz zuckte mit den Schultern. »Ich will ganz offen sein, Herr Schneider. Natürlich musste ich diese grobe Dummheit, und anders kann ich es nicht bezeichnen, in meinen Bericht aufnehmen. Ich gehe davon aus, dass es die Entscheidung meiner Vorgesetzten beschleunigt hat, gekommen wäre sie aber so oder so.«
    Derwitz räusperte sich und trank abermals von seinem Kaffee. Er schien das hier zu genießen, bekam wohl gerade seine Revanche für Sebastians und Uwes eigenmächtiges Handeln im Haus der alten Kreiling sowie für den nicht genehmigten Ausritt. Derwitz war eben doch ein Kleingeist und Erbsenzähler, aber Sebastian war das alles gerade ganz wunderbar egal. Seine Pferde und seine Ruhe waren ihm wichtiger. Also kippte er den Rest Kaffee hinunter und stand auf.
    »Gut. Dann hätten wir das ja geklärt. Wenn es sonst nichts gibt, würde ich Sie jetzt gern verabschieden, Herr Derwitz. Ich hab noch so einiges zu tun.«

    Derwitz starrte ihn an. Nicht lange, nur für einen Wimpernschlag, aber doch lange genug, dass Sebastian erkennen konnte, wie sehr er den Kommissar aus dem Konzept gebracht hatte. Derwitz beließ den Rest Kaffee in seiner Tasse und stand

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