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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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sehen, ob es irgendwelche Spuren gab. Von diesem Vorhaben ließ er jetzt aber ab. Er blieb stehen. In seinem Inneren machte sich Angst breit. So starke Angst, dass er sogar ein paar Schritte rückwärts ging. Freilich ohne dabei den Waldrand aus den Augen zu lassen. Er hatte nichts, absolut nichts gesehen, und doch war ihm die Angst in die Glieder gefahren, als hätte er den Leibhaftigen selbst erblickt.
    »Scheiße«, murmelte er und ging weiter zurück. Für die mickrigen sechs Euro Stundenlohn, die er hier für das Verteilen der Backwaren an die Filialen bekam, konnte doch wohl niemand von ihm erwarten, dass er auch noch den Hobby-Detektiv machte. No way! Sollte sich doch der blöde Vorarbeiter darum kümmern. Hatte sowieso immer die größte Fresse und wusste alles besser. Beim ersten Mal hatte Tarek noch geglaubt, die Waren gar nicht eingeladen zu haben, obwohl er sich eigentlich sicher gewesen war. Beim zweiten Mal war er sich absolut sicher gewesen und hatte drinnen gefragt, ob ihn jemand verarschen wollte. Und Blöker, dieser Wichser, hatte doch tatsächlich ihn für das Verschwinden der Ware verantwortlich gemacht. Mal sehen, was der Fettwanst jetzt zu sagen hatte.
    Gerade als Tarek Özgün seinen Wagen wieder erreichte, ging die Tür zum Lager auf, und Blöker kam heraus.
    »Was machst du hier so lange?«, blökte er sofort los, wie es seine Art war. »Meinst du, ich sortier für dich deine Order? Sieh zu, dass du deinen Arsch hier reinbewegst. Und wenn ich dich noch ein einziges Mal beim Rauchen erwische, melde ich es dem Alten.«
    »Ich hab nicht geraucht, Mann. Verdammte Scheiße, bei mir ist schon wieder was aus dem Wagen verschwunden.«

    Blöker kam näher. »Was ist los? Willst du mich verarschen?«
    »Mann ey, ich schwör’s. Ich hatte die Brote und den BK schon eingeladen, und jetzt sind sie weg. Drei Brote und vier Lagen BK. Wie vorgestern und den Dienstag davor. Mann, ich spinne doch nicht.«
    Blöker schob seinen gewaltigen Bauch um den Wagen herum und spähte in den Laderaum. Die Fächer, in denen die Ware hätte liegen müssen, waren tatsächlich leer.
    Blöker kratzte sich am Kopf. »Mein lieber Herr Gesangsverein! Ich hab dich doch selbst die Sachen rausschleppen sehen. Wo sollen die denn geblieben sein?«
    Tarek zuckte übertrieben stark mit den Schultern. »Das weiß ich doch nicht! Ich bin wieder rein, um den Rest zu holen, und als ich wieder rauskomme, sind sie weg. Einfach weg! Verschwunden! Jemand muss am Wagen gewesen sein. Anders geht es doch nicht. Irgendein Penner versteckt sich da im Wald und lacht sich doof und dämlich über uns.« Tarek zeigte mit ausgestrecktem Arm zum Waldrand hinüber.
    »Hast du jemanden gesehen?«, fragte Blöker und sah ebenfalls zum Wald.
    »Ne, gesehen nicht, aber da muss doch einer sein.«
    Blökers Augen verengten sich zu Schießscharten, wanderten vom Waldrand zu Tarek Özgün. Er traute dem jungen Türken nicht, hatte ihm von Anfang an nicht getraut, und wenn es nach ihm gegangen wäre, was ja nicht der Fall war, hätte der hier auch gar nicht angefangen. Dreimal hatte er ihn schon mit Käsebrötchen im Mund erwischt, obwohl die Leute genau wussten, dass sie während der Arbeit nicht essen durften.
    »Jetzt hab ich aber die Schnauze voll! Du bleibst hier
am Wagen und rührst dich nicht von der Stelle. Ich gehe rein und rufe die Polizei. Die sollen sofort herkommen, und dann klären wir die Sache.«
    Blöker kam etwas näher an Tarek heran und schob dabei seine Schultern und den quadratischen Schädel nach vorn. »Oder willst du mir noch etwas sagen?«
    »Von mir aus können Sie ruhig die Bullen rufen. Ich hab die Sachen nicht. Vielleicht wollen Sie ja vorher noch meine Taschen kontrollieren. Mal sehen, hier, nichts drin.«
    Tarek Özgün stülpte seine Hosentaschen nach außen. Außer ein paar Krümeln fiel nichts heraus. Blöker starrte ihn noch einen Moment an, dann machte er auf dem Absatz kehrt, ging ins Lager zurück und rief die Polizei.

Dienstag
    Der Tag, den dem Stefanie beerdigt wurde, war ein weiterer Tiefpunkt. Sebastian hatte geahnt, dass es zu viel werden würde für Saskia, doch sie hatte sich nicht abbringen lassen. Als sie Erde auf den Sarg schüttete, musste er sie stützen.
    Zurück auf dem Hof brachte er sie zu Bett, dunkelte den Raum ab und schloss die Tür. In der Küche machte er sich einen Kaffee, den er an die Arbeitsplatte gelehnt im Stehen trank. Sich Kaffee zuzubereiten und ihn in der Küche zu trinken hatte etwas

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