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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Motor, fuhr los und lenkte den Wagen mit Schwung durch die engen Kurven der Hochgarage. »Verrätst du mir jetzt, von wem die Blumen sind?«
    Saskia griff nach hinten und kramte in ihrer Tasche auf dem Rücksitz. Die schmerzenden Rippen ignorierte sie dabei einfach. Sie holte das Buch hervor und hielt es so, dass Stefanie den Titel lesen konnte, hielt es mit einem gewissen Stolz, wie sie selbst bemerkte.
    »Straßenverkehrsordnung? Was soll das denn?«
    »Ist von demselben, der mir die Blumen geschenkt hat.«
    Stefanie musste an der Schranke vor der Ausfahrt des Parkhauses halten. Aus großen Augen sah sie Saskia an. »Warte! Das ist nicht dein Ernst! Der Typ, dem du in die Karre gefahren bist?«
    Eine Hupe schrillte, hallte zwischen Beton wider. Stefanie zeigte dem gestikulierenden Fahrer hinter ihnen den Mittelfinger, steckte ihren Parkschein in den Automaten
und fuhr mit quietschenden Reifen an. In den zwanzig Minuten Fahrt zu ihrer Wohnung musste Saskia bis ins kleinste Detail von Sebastian Schneider berichten. Stefanie stellte ihre bohrenden Fragen erst ein, als sie am Straßenrand vor der Villa parkten.
    Saskia sog den Anblick in sich auf. Durch die ausladenden Kronen der Buchen schimmerte Sonnenlicht, leichter Wind schüttelte die noch hellgrünen Blätter, ein Stück die Straße runter marschierte eine Kindergartengruppe über den Zebrastreifen. Das helle Lachen und Schreien der Kinder drang bis ins Auto. Kaum eine Woche war sie fort gewesen, alles war wie immer, und doch kam es ihr vor, als hätte sich etwas verändert. Das Licht, die Aura der Umgebung. Oder lag es nur an ihr?
    Sie stiegen aus. Stefanie nahm die Tasche, Saskia trug ihr Gesetzbuch. Schweigend schritten sie über den gepflasterten Weg auf die Villa zu. Links leuchteten zwei Ginsterbüsche in sattem Gelb. Der Geruch der Blüten schien sich einer Droge gleich in Saskias Kopf zu schleichen.
    Marlene Ostrowski stand in gebückter Haltung in der geöffneten Tür. Wie jeden Tag trug ihre Vermieterin den grauen Faltenrock, die weiße, gestärkte Bluse und die graue Strickweste mit der kleinen Applikation in Form eines Alpenveilchens über der rechten Brust. Farbe spielte keine Rolle mehr im Leben der Ostrowskis.
    Die alte Frau begrüßte Saskia mit einer herzlichen, aber ungelenken Umarmung. »Mein Mädchen … es tut mir ja so leid, so leid. Wir konnten Sie wirklich nicht besuchen kommen.«
    »Aber das macht doch …«
    »Ich wollte ja, ganz bestimmt, und Kurt auch, aber sein Rheuma, verstehen Sie. In den letzten Tagen ist es wieder
schlimmer geworden, er kommt kaum noch aus dem Sessel hoch. Und Doktor Bramstedt hat nichts anderes als die üblichen Spritzen, immer nur die Spritzen.«
    »Das tut mir wirklich …«
    »Sonst wäre ich Sie besuchen gekommen, ganz bestimmt, aber so! Meine Augen lassen mich ja auch jeden Tag ein bisschen mehr im Stich. Grad bis zur Straße kann ich noch sehen. Alt zu werden ist nicht einfach, wirklich nicht einfach …«
    Ein paar Minuten musste Saskia die Krankengeschichte der Ostrowskis noch über sich ergehen lassen, bevor sich plötzlich eine Lücke auftat im Redeschwall der alten Dame. Stefanie nutzte sie gnadenlos, bugsierte Saskia durch den Hausflur und wimmelte die Einladung zu einer Tasse Tee auf einen unbestimmten Zeitpunkt ab. Als sie die breite Treppe hinaufstiegen, beugte Stefanie sich zu ihr hinüber und flüsterte: »So langsam mache ich mir Sorgen um die beiden. Wie lange können sie sich wohl noch allein versorgen?«
    »Hoffentlich noch lange. Wenn sie ins Altenheim gehen, wird das Haus verkauft und wir müssen hier raus.«
    Was unglaublich schade wäre , schob Saskia in Gedanken hinterher. Eigentlich konnte sie bis heute nicht fassen, was für ein Glück sie vor zwei Jahren mit dieser Wohnung gehabt hatte. Wenige Monate nach dem Unfalltod ihrer Eltern hatte sie nichts dringender gebraucht als eine Unterkunft und eine Freundin. Beides hatte sie hier mit einem Schlag gefunden, und wenn es nach ihr ginge, würde sie nie wieder ausziehen. Die Türen von Stefanies und ihrer Wohnung lagen sich an einem kurzen Flur gegenüber, und wenn sie beide zu Hause waren, standen sie meist offen. Sie führten eine Art Wohngemeinschaft, aßen häufig zusammen,
übernachteten mitunter sogar bei der jeweils anderen. Das Obergeschoss gehörte ihnen allein, die alten Leute kamen niemals hoch, da sie die Treppe nicht mehr bewältigen konnten.
    In ihrem Wohnzimmer blieb Saskia stehen, schloss die Augen und atmete den

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