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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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drückte, abgesagt. Seine Mutter war mit einem Schwächeanfall ins Krankenhaus eingeliefert worden. Wahrscheinlich eine Folge der schwülen Luft.
    Die machte auch Sebastian zu schaffen. Er kam nicht wirklich voran. Trotz freien Oberkörpers schwitzte er bei jeder Bewegung und verfluchte innerlich das kurze Streichholz, das er aus der Hand seines Vaters gezogen hatte. Ihr übliches Spielchen, wenn es darum ging, unliebsame Arbeiten aufzuteilen. Andererseits half die harte Arbeit dabei, auf andere Gedanken zu kommen, die kleine Karte oben
im Rahmen seines Spiegels mal zu vergessen. Die Nummernfolge zu vergessen, die er bereits in seinem Handy eingespeichert, aber noch nicht gewählt hatte.
    Als er die volle Schubkarre nach draußen schaffte, sah er Edgar winken. Sein Vater stand vor der grünen Tür des flachen Anbaus, der sich geduckt an den hohen Stall schmiegte. Dort bewahrten sie Zaumzeug, Medikamente und Werkzeug auf. Sebastian kippte die schwere Mistkarre aus, ließ sie dann einfach umfallen und schlurfte zu Edgar hinüber.
    »Sieh dir das mal an«, sagte Edgar, als Sebastian ihn erreichte.
    Sein Vater trug ein graues T-Shirt, es klebte feucht und dunkel an seinem Rücken. Sein braungebrannter, behaarter Arm zeigte auf die grün gestrichene Holztür. In der makellosen Farbe waren Kerben zu erkennen. Jemand hatte versucht, die Eisenbeschläge mit einem Brecheisen abzuhebeln. Die beiden Abdrücke einer Kuhfußklaue waren deutlich zu sehen. Dieser Jemand hatte große Kraft aufgebracht, es jedoch nicht geschafft, den Beschlag vom Holz zu lösen.
    »Da wollte jemand rein«, sagte Sebastian, während er mit den Fingerkuppen über das eingedrückte Holz fuhr. »Und es scheint noch nicht lange her zu sein. Wahrscheinlich die Nacht, in der Taifun sich so merkwürdig benommen hat.«
    Er kam aus der Hocke hoch, wischte sich den Schweiß aus den Augen und sah seinen Vater an. Dessen Blick war wie versteinert, die Augenbrauen drohend zusammengezogen, tiefe Falten um die Mundwinkel herum.
    »Das werde ich nicht wieder zulassen. Wir werden Taifun nachts frei laufen lassen.«

    »Bist du sicher?«
    Edgar warf einen langen Blick ins Tal hinab. »Wenn dieser Kerl wiederkommt, soll der Hund ihm den Arsch aufreißen.«
    In seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der Sebastian eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. Dabei konnte er seinen Vater verstehen. Vor drei Jahren erst war jemand in den Stall eingebrochen und hatte einen Sattel gestohlen. Ein Erbstück von Edgars Vater, handgefertigt von einem Sattler aus dem Ort, der längst verstorben war. Dieser Sattel war unbezahlbar gewesen, besaß er für Edgar doch einen großen ideellen Wert. Seitdem waren die Türen und Fenster einbruchsicher. Wer hier reinwollte, musste schon etwas Besseres auffahren als einen Kuhfuss.
    »Hier ist er nicht reingekommen, aber ich vermisse trotzdem etwas«, sagte Edgar.
    »Was?«
    »Die Mistgabel, die immer draußen an der Sammelstelle in der Tonne steckt. Hast du sie vielleicht irgendwo stehen lassen?«
    Sebastian schüttelte den Kopf. »Wer klaut denn eine Mistgabel?«
    »Verrückte klauen alles. Schaufel und Besen stecken noch in der Tonne, aber die Mistgabel ist weg.«
    Unwillkürlich dachte Sebastian an die Nacht zurück, in der Taifun ihn geweckt hatte. Noch zu gut erinnerte er sich an das Gefühl, beobachtet worden zu sein. Diese körperlosen Blicke, die sich in seinen Nacken gebohrt hatten.
    Edgar legte ihm eine Hand auf die Schulter und riss ihn so aus seinen Gedanken.
    »Erzähl es nicht Anna. Sie macht sich sonst unnötig Sorgen.«

    Sebastian nickte. Dann wurden sie unterbrochen vom Motorenlärm eines Lkws. Es war der Futtermittelhändler aus Bentlage mit der samstäglichen Lieferung für den Hof. Noch mehr Arbeit!

Montag
    Seit einer Stunde war alles erledigt. Der Arzt hatte, wenn auch ein klein wenig gegen seinen Willen, die Entlassungspapiere unterschrieben (mein Gott, das klang, als würde sie aus dem Gefängnis entlassen), die Rechnung für Fernseher und Telefon war bezahlt, ihre Wäsche und der Kleinkram befanden sich in der grünen Reisetasche, die Stefanie ihr am Tag nach dem Unfall ins Krankenhaus gebracht hatte. Oben auf der Wäsche lag die Straßenverkehrsordnung. Saskia hatte sie beim Einpacken noch mal in die Hand genommen, hatte die erste Seite aufgeschlagen und die Widmung gelesen, die sie Sebastian Schneider vor vier Tagen abgetrotzt hatte. Er hatte sich geziert, sich letztendlich aber nicht gegen ihr Argument, dass

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