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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Sie kannte das Wissen einer längst vergangenen Epoche, und es erfüllte sie mit großer Genugtuung und tiefer Zufriedenheit. Mitunter wünschte sie sich sogar, jetzt schon in diesen ewigen Fluss eintauchen zu können, doch das ging nicht. Es gab noch so viel zu tun. Erst musste sie mit ihrem Kind vereinigt sein!
    Sie bückte sich, griff nach der Kiste und wuchtete sie abermals hoch. An der westlichen Seite des Grundstücks hatte sie eine Stelle ausgemacht, die für ihr Vorhaben wie geschaffen war. Zur Straße hin von einer dicht belaubten Hecke abgeschirmt, zur Ackergrenze hin durch eine Reihe hoher Tannen verborgen. Dort stellte sie die Kiste ab. Der Spaten wartete bereits unter den Tannen. Sie begann zu graben.
    Eine halbe Stunde später war ein Loch von anderthalb Metern Tiefe ausgehoben. Zum allerletzten Mal hob sie die Kiste an und ließ sie einfach in die Grube fallen. Der dumpfe Laut verließ kaum das Erdreich. Weitere zehn Minuten
später waren das Loch wieder aufgefüllt und die restliche Erde unter den Tannen verteilt.
    Und so bekam Mechthild Kreiling, was sie sich immer gewünscht hatte. Ein Grab in ihrem geliebten Garten.
     
    Seine Mutter hatte Kuchen gebacken, also kamen sie um ein offizielles Kaffeekränzchen nicht herum. Sebastian war die Situation peinlich, schließlich war er kein Schüler mehr, aber verhindern konnte er es nicht, immerhin trafen sie sich in seinem Elternhaus. Während der halben Stunde, die sie am Esszimmertisch verbrachten, kam er kaum zu Wort. Saskia hielt sich gut. Sie aß mehr von dem Kuchen als er, sprach mehr mit seinen Eltern als mit ihm und schien sich überhaupt wohlzufühlen. Als er jedoch den Eindruck bekam, seine Mutter würde Saskia ausfragen, brach er das Gespräch mit der Begründung ab, sie würden jetzt mit dem Reitunterricht beginnen müssen, bevor das Wetter umschlug.
    Draußen lag die schwüle Luft wie ein fester Block im windgeschützten Bereich zwischen Stallung und Haus und war kaum zu ertragen. Die Sonnenstrahlen wurden durch leichte Schleierwolken gemildert, trotzdem war es sehr warm. Sebastian führte Saskia zum Koppelzaun.
    »Deine Eltern sind nett«, sagte sie.
    »Ja, eigentlich schon. Leider ist meine Mutter ein wenig zu neugierig. Sie hat dich ja regelrecht ins Kreuzverhör genommen.«
    Saskia lachte. »So schlimm was es auch wieder nicht. Schließlich kennen sie mich überhaupt nicht, da ist das normal.«
    Der Zaun, der Sebastian bis zur Brust reichte, versperrte Saskia, die ein ganzes Stück kleiner war, die Sicht. Sie stellte
sich kurzerhand auf die unterste Latte und klammerte sich mit den Armen an der obersten fest. So reichte ihr Blick von den sanft abfallenden Weiden über die Nadelwälder bis hinunter ins Tal. Das Dorf selbst war nur ein Schemen in der flirrenden, dunstigen Luft. Über den weit entfernten Dächern schwebten drohende Wolken mit dunklen Unterseiten.
    »Wunderschön ist das hier«, sagte Saskia.
    Ihre Stimme klang, als wäre sie weit, weit entfernt. Sebastian hätte etwas dafür gegeben, ihre Augen sehen zu können, ihre dunklen Augen, in die er sich – das konnte er sich ruhig eingestehen – hoffnungslos verliebt hatte. Aber er stand hinter ihr, und das Einzige, was er sah, war das fein gezeichnete Relief ihrer Rückenmuskulatur unter dem hautengen, dünnen Trikot.
    »Und, wollen wir es ausprobieren?«, fragte er.
    Sie stieg vom Zaun und sah ihn an. Unsicherheit lag in ihrem Blick.
    »Wir nehmen Falco, unser ruhigstes Pferd. Dir kann wirklich nichts passieren.«
    »Okay, aber nur ganz langsam bitte, wegen der Rippen.«
    Sebastian führte Falco von den anderen Pferden weg auf eine abgetrennte Koppel, sattelte ihn und zeigte Saskia, wie das Zaumzeug angelegt werden musste. Als sie beim Gebissstück angelangt waren, zog Saskia ihre Hand hastig zurück, da Falco sich dafür interessierte.
    »Ruhig.« Sebastian strich ihm über die Blesse. »Er will nur deinen Geruch aufnehmen. So lernt er dich kennen.«
    Unsicher lächelnd streckte Saskia ihre Hand wieder aus. Falco näherte sich mit seinen großen Nüstern, schnupperte geräuschvoll an ihrer Handfläche.

    »Das fühlt sich ja richtig weich an«, staunte Saskia.
    »Ich weiß. Und Pferde küssen auch richtig gut, willst du es mal ausprobieren?«
    Ihre Augen wurden noch größer. »Ist nicht dein Ernst!«
    »Nein, kleiner Scherz. Aber ich glaube, er hat dich für in Ordnung befunden, also können wir loslegen. Bist du so weit?«
    Saskia nickte. Er zeigte ihr, wie sie mithilfe der

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