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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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wanderten in Richtung des Dorfes ab.
    »Hörst du was?«, fragte Sebastian.
    Aber das war in diesem Inferno aus Regen, Donner und Sturm natürlich unmöglich. Sie konnten ja kaum ihr eigenes Wort verstehen. Trotzdem lauschten sie angestrengt.

    »Er bellt nicht mehr«, sagte Edgar nach ein oder zwei Minuten.
    »Ich weiß nicht … Ich hab kein gutes Gefühl dabei«, sagte Sebastian.
    »Wir können aber nichts tun. Bei diesem Wetter und in der Dunkelheit finden wir ihn sowieso nicht. Lass uns zurück ins Haus gehen … er wird schon wiederkommen.«
    Nur widerwillig löste sich Sebastian von der Stallwand und folgte Edgar. Sein Vater erreichte die Stufen zur Haustür als Erster und hastete hinauf. Plötzlich blieb Sebastian stehen, drehte sich ruckartig um und starrte in den von der Hofbeleuchtung illuminierten Regen. Es war kein Geräusch gewesen, das ihn hatte innehalten lassen, sondern das sehr intensive Gefühl, beobachtet zu werden. Genau wie in der anderen Nacht, als Taifun gebellt hatte. Doch da war nichts. Trotzdem: In den wenigen Sekunden, bis sein Vater nach ihm rief, spürte er deutlich die Anwesenheit von … von irgendetwas, und es jagte ihm eine Höllenangst ein.
    »Sebastian, komm endlich rein!«
    Als er die Stufen hinaufstieg, kam er sich wie ein Verräter an seinem Hund vor.

Donnerstag
    Das Unwetter hatte auf dem Land seine Spuren hinterlassen. Riesige Pfützen braunen Wassers verwandelten den Hof in eine Seenplatte, tief eingegrabene Rinnen zogen sich von den abfallenden Rändern zu den Wiesen. Die Böden waren einige Zentimeter tief aufgeweicht und matschig. Überall lagen abgebrochene Äste herum, kleine wie große, Laub bedeckte den Boden, als sei es über Nacht Herbst geworden. Quer über der Zufahrtsstraße lagen zwei vom Sturm entwurzelte Kiefern.
    Am frühen Morgen, die Luft war noch dunstig, aber alles andere als kühl, stand Sebastian vor diesen Stämmen und versuchte abzuschätzen, wie lange es dauern würde, sie zu zersägen. Beide Bäume hatten eine Länge von zehn bis fünfzehn Metern und einen Durchmesser von nicht unter vierzig Zentimetern. Altgediente Kameraden waren das, die schon manchen Sturm überstanden hatten, aber diesen eben nicht mehr. Selbst mit der Kettensäge würden sie zwei Stunden benötigen, mindestens, und dann wussten sie noch nicht, wie es weiter unten aussah. Vom Beginn des Hügels an war die Zufahrt ihr Privatweg, keine Feuerwehr und keine Gemeindearbeiter würden sich vorrangig darum kümmern. Verflucht! Das brachte die Planung für den Tag durcheinander. Er musste ins Büro, dringend, noch einen Fehltag konnte er sich nicht leisten. Aber wie es aussah, würde er dort frühestens gegen Mittag auftauchen können. Derart abseits zu leben hatte mitunter seinen Preis.

    Sebastian warf einen langen Blick auf die gewundene Straße, die nach hundert Metern mit einer scharfen Rechtskurve im Wald verschwand. Hoffentlich warteten da unten nicht noch mehr Überraschungen! Was würde in Oltmanns’ Kopf vorgehen, wenn er in der Kanzlei anrief, um sich schon wieder einen Tag freizunehmen? Schau an, der Neue, sein erster Mordfall, und er macht sich in die Hosen. Versteckt sich daheim bei Mama und Papa. Nein, noch einen Fehltag konnte er sich auf gar keinen Fall erlauben!
    Sebastian trat gegen den Stamm der Kiefer, was seinen Frust aber auch nicht linderte, und ging zurück zum Haus. Abermals rief und pfiff er dabei immer wieder nach Taifun – ohne Erfolg. Wären die Böden nicht so aufgeweicht, hätte er Falco gesattelt und sich auf die Suche gemacht. Irgendwas musste während des Unwetters geschehen sein! Taifun war zuverlässig, er würde sich nicht einfach aus dem Staub machen, auch nicht für eine läufige Hündin unten im Ort. Das nämlich war Edgars Vermutung, die Sebastian aber nicht teilte. Er kannte Taifun besser. Zudem war dafür inzwischen zu viel Zeit vergangen.
    »Wie sieht es aus?«, fragte Edgar, als Sebastian die Küche betrat. Sein Vater saß am Tisch und frühstückte. Zwei Eier und zwei Scheiben Toast, wie jeden Morgen.
    »Zwei Kiefern gleich vorne. Die müssen wir erst wegräumen. Ich rufe gleich im Büro an und sage Bescheid, dass ich später komme. Hoffentlich sind weiter unten nicht noch welche umgestürzt!«
    »Wir fangen sofort an, ich esse nur noch zu Ende. Vielleicht schaffst du es ja noch vor dem Mittagessen ins Büro.«
    Sebastian nickte. »Taifun ist nirgends zu sehen.«

    »Er wird schon zurückkommen«, sagte Anna und strich ihm über den

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